Copyright-Reform: EU-Parlament weist Upload-Filter und Leistungsschutzrecht zurück

Im Plenum haben die Abgeordneten die Vorlage aus dem Rechtsausschuss abgelehnt, wonach Plattformen hochgeladene Inhalte überwachen sollten.

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Copyright-Reform: EU-Parlament weist Upload-Filter und Leistungsschutzrecht zurück

(Bild: EU-Kommission)

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Mit knapper Mehrheit von 318 zu 278 Stimmen bei 31 Enthaltungen hat das EU-Parlament am Donnerstag in einer mit Spannung erwarteten Entscheidung Upload-Filtern und einem fünfjährigen Leistungsschutzrecht für Presseverleger im Internet zunächst eine Absage erteilt.

Die Volksvertreter haben dabei den umstrittenen Vorschlag aus dem Rechtsausschuss zur EU-Copyright-Reform zurückgewiesen. Dabei handelt es sich um eine Premiere: Bisher folgten die Parlamentarier immer der Empfehlung des federführenden Gremiums.

Update 5.7.2018, 12.30 Uhr: Mit dem "Nein" ist das Dossier wieder offen und die Abgeordneten können über die Sommerpause neue Änderungsanträge zum ursprünglichen Entwurf der EU-Kommission ausarbeiten. Die Position des Parlaments müssen sie dann im September im Plenum festzurren. Zugelassen werden dabei Korrekturwünsche, die der Rechtsausschuss stellt sowie Gruppen von mindestens 38 Abgeordneten einbringen. Denkbar ist es auch in dem bislang noch nicht eingespielten Verfahren, Änderungsvorschläge an das federführende Gremium zurückzuverweisen.

Ansichten zur EU-Copyright-Reform

Die EU-Copyright-Reform wird mit Upload-Filtern und einem EU-weiten Leistungschutzrecht verbunden. Das sorgt für sehr geharnischte Kommentare.

Die Verhandlungen mit dem EU-Rat verzögern sich damit. Ursprünglich wollte der Rechtsausschuss dem Berichterstatter Axel Voss (CDU) auch gleich das Mandat erteilen, in Verhandlungen über einen Kompromiss mit dem Ministergremien einzutreten. Dabei wären sich beide Seiten und die Kommission vermutlich bald einig geworden, da sich die EU-Staaten bereits im Mai auf Upload-Filter und ein einjähriges neues Leistungsschutzrecht geeinigt hatten. Ähnlich wie die Rechtspolitiker aus dem Parlament plädierte der Rat für eine Pflicht für Plattformen mit nutzergenerierten Inhalten, mit Rechteinhabern Lizenzvereinbarungen abzuschließen. Andernfalls sollen die Verantwortlichen durch "effektive und verhältnismäßiger Mittel" dafür sorgen, dass illegale Werke nicht verfügbar sind.

Die seit Monaten tobende Lobbyschlacht rund um die Reform samt "Fake-News-Vorwürfen" dürfte mit dem Nein aus dem Parlament zum bisherigen Kurs nicht abebben. Laut Rechteinhabern, Verwertungsgesellschaften, der Musikindustrie und Verlagen geht es in der Auseinandersetzung darum, mehr Vergütungen von großen Akteuren wie YouTube oder Google zu erhalten, da diese kreative Leistungen online ohne angemessenen Gegenwert nutzten und sich damit eine "Wertlücke" auftue ("Value Gap"). Die andere Seite, der etwa Bürgerrechtler, Bibliotheken Forscher, Startups, Wikimedia, Verbände der Internetwirtschaft oder Online-Pioniere angehören, sieht die Presse- und Meinungsfreiheit im Netz sowie damit die Demokratie gefährdet.

Am Mittwoch hatte der Dachverband der Musikindustrie IFPI noch einmal prominente Unterstützer für eine schärfere Regulierung von Online-Plattformen ins Feld geschickt. Er veröffentlichte einen Brief von Paul McCartney an das EU-Parlament, in dem dieser für die Position des Rechtsausschusses warb. "Wir brauchen ein Internet, das für alle fair und nachhaltig ist", forderte der Ex-Beatle. Portale mit nutzergenerierten Inhalten weigerten sich, Künstler und Musikschaffende angemessen zu entlohnen. Gleichzeitig nutzten sie deren Arbeit aber für ihren eigenen Profit. Insgesamt unterstützen über 1300 Musiker die IFPI-Kampagne nach Angaben des Verbands, darunter Stars wie Plácido Domingo, James Blunt oder Udo Lindenberg.

EU-Copyright-Reform: Upload-Filter und Leistungsschutzrecht

Digitalstaatsministerin Dorothee Bär sowie weitere Netzpolitiker der CDU/CSU-Bundestagsfraktion wie Thomas Jarzombek, Nadine Schön, Peter Tauber oder Tankred Schipanski machten in einem Brief an die konservative EVP-Fraktion im EU-Parlament parallel deutlich, dass sie ihre zuvor mit Kollegen von SPD und FDP geäußerte Kritik am Vorschlag des Rechtsausschusses aufrechterhalten. Die Auflagen für Plattformen, Lizenzvereinbarungen auszuhandeln oder gewisse geschützte Inhalte auszublenden, könnten demnach große Anbieter wie YouTube noch recht einfach erfüllen. Europäische Startups dürften aber daran scheitern, die Vorgaben rechtssicher umzusetzen.

Gebühren auf Basis des Leistungsschutzrechts zahlten hierzulande zudem allenfalls kleine und mittlere Unternehmen, nicht jedoch Google, führen die Digitalpolitiker der Unionsfraktion aus. Verleger bräuchten Google, um ihre Reichweite zu vergrößern. Daran werde auch ein neues EU-weites Schutzrecht selbst für kleinste Textauszüge nichts ändern. Die laufenden Bemühungen, Startups ein besseres Umfeld in Europa zu verschaffen, würden so konterkariert. Beobachtern zufolge zeigt das Schreiben, dass der Verhandlungsführer Voss innerhalb der EVP-Fraktion einen schweren Stand hat. Auch durch die CDU/CSU-Bundestagsfraktion geht in der Frage ein Riss.

Voss hatte vor der Abstimmung noch einmal betont, es gehe um die "Beendigung der Ausbeutung" europäischer Künstler. Google und Facebook machten Riesengewinne mit dem Diebstahl von geistigen Werken. Dieser "extreme Internetkapitalismus" von einigen dürfe nicht befördert werden, sonst drohe eine kreative Insolvenz. Zudem beklagte er eine "extreme" Lobbykampagne. Sogar Kinder von Abgeordneten seien angerufen worden. Die britische Labour-Abgeordnete Catherine Stihler hielt dagegen, der Text des Rechtsausschusses sei nicht ausgewogen. Sie befürchtete gravierende Auswirkungen auf die Meinungsfreiheit. Nun gelte es, eine "faktenbegründete Debatte im September" zu führen. (anw)