Das Leben als "weißer Fleck" im Breitbandatlas

Langsames Internet: Als nach wie vor "weiße Flecken" auf der Karte des schnellen Internets kämpfen ländliche Gemeinden gegen Bürokratie und Landflucht.

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Kupferkabel

(Bild: Pixabay)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Juliane Görsch
  • dpa
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Die Idylle in Meisenheim trügt. Zwischen Weinreben und Wanderrouten fehlt es den Einwohnern der Verbandsgemeinde an zwei Dingen: schnellem Internet und Handyempfang. "Wenn Ihnen auf manchen Straßen in der Nacht ein Reh vors Auto läuft, sind Sie aufgeschmissen und müssen in den nächsten Ort laufen", fasst Bürgermeister Dietmar Kron die Situation zusammen. Erst dort lasse sich dann wieder mit dem Handy telefonieren.

Seine private Internetverbindung habe eine Übertragungsrate von gerade einmal drei Megabit pro Sekunde. E-Mails lassen sich damit problemlos verschicken, bei hochauflösenden Filmen aus Mediatheken ist die Frustgrenze allerdings schnell erreicht. "Der Gesetzgeber hat die Digitalisierung nicht richtig angepackt", findet Kron. Dünn besiedelte Gebiete bieten eben weniger Anreiz für private Breitband-Anbieter. "Ehe ein Ort in Deutschland Breitband hat, wurde in China schon eine ganze Stadt gebaut", sagt der Bürgermeister.

Zahlreiche Einwohner hätten sich bei ihm schon beschwert, erzählt Kron. Unter dem langsamen Internet leiden auch Betriebe. Das Gesundheitszentrum Glantal besorgte sich auf eigene Kosten Glasfaserkabel. "Bei kleinen Unternehmen ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie sagen: "Rutscht mir den Buckel runter, ich bin weg"", sagt Kron.

Helge Stolz betreibt ein IT-Unternehmen im Nachbarort Odenbach mit rund 800 Einwohnern. "Es ist eine Katastrophe", sagt er. "Ohne eine funktionierende Internetverbindung ist so ein Standort eigentlich gar nicht zu betreiben." Stolz bleibt trotzdem. Seine Kunden seien glücklicherweise nachsichtig, wenn es gerade nachmittags zu Engpässen komme, sagt er. Ähnliches berichtet Markus Pape, Inhaber des Hotels Meisenheimer Hof. Wenn alle 22 Zimmer belegt seien, komme das WLAN an seine Grenzen. Gerade bei internationalen Gästen aus China stoße das auf Unverständnis. "Es gibt Gäste, die uns deswegen nicht so häufig besuchen, wie sie es eigentlich würden", sagt der Hotelier. Andere Gäste wiederum suchten genau diese Ruhe.

Ende 2017 hatte in Rheinland-Pfalz noch knapp ein Viertel der ländlichen Gemeinden weniger als 16 Mbit/s zur Verfügung. Das geht aus dem Breitbandatlas des Bundes hervor. Vor allem Orte im Westerwald, in der Eifel und in der Westpfalz seien unterversorgt, sagt Ralf Bitterwolf vom Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz. "Es ist in den ländlichen Gebieten nicht gelungen den Anspruch an gleichwertige Lebensbedingungen wie in der Stadt zu erfüllen."

Debatte: Breitband-Ausbau in Deutschland

Glasfaser-Internet ist in Deutschland ein Ladenhüter. Kein Wunder, denn Vectoring sei wirtschaftlich meist sinnvoller: Glasfaser für Alle? Welch ein Unfug!, kommentierte Ernst Ahlers – und löste damit eine heftige Debatte aus, nicht nur im Diskussionsforum. Einige Reaktionen Pro und Contra:

An mangelnden Fördergeldern dürfte das nicht liegen. Von 2015 bis Mitte Mai 2018 hat der Bund insgesamt rund 136 Millionen Euro für die Verlegung von Glasfaserkabeln in Rheinland-Pfalz bereitgestellt. Abgerufen wurden in den Kommunen davon aber nur 0,5 Prozent. Nach Angaben Krons liegt das an den komplizierten Förderverfahren. Seit dem positiven Förderbescheid im Jahr 2016 habe sich in der Verbandsgemeinde Meisenheim kaum etwas getan. Ende Juli sollen erste Bietergespräche stattfinden. "Wir hängen uns seit zwei Jahren an Formalitäten fest. Es ist noch kein Meter Kabel gelegt, kein Zentimeter Graben gebaggert", sagt Kron.

Ein neues Antragsverfahren der Bundesregierung soll den Breitband-Ausbau in kleineren Gemeinden ab August nun beschleunigen. Den Plänen von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) zufolge sollen Fördergrenzen angehoben, Beträge schneller ausgezahlt und das Verfahren vereinfacht werden. "Die Kommunen sparen damit bis zu sechs Monate. Zukünftig gibt es auch keine Warteschlangen mehr bei der Bewilligung von Mitteln", versprach Scheuer Anfang Juli. Und beim Mobilfunkgipfel am Donnerstag in Berlin entstand mit Vertretern von Netzbetreibern eine Absichtserklärung, wonach bis Ende 2021 durch neu zu errichtende Mobilfunkstandorte 99 Prozent der Haushalte in jedem Bundesland versorgt werden sollen.

60 Kilometer von Meisenheim entfernt fingen die Probleme nach der Förderbewilligung indes erst an. "Alle Telekom-Anschlüsse mit mehr als 16 Mbit/s wurden gekündigt - ohne jegliche Alternative zu bieten", erzählt Bürgermeister Ottfried Fehlinger aus Westhofen im Landkreis Alzey-Worms. Seinen eignen Anschluss mit bisher 50 Mbit/s verliert er zum 1. August. Der Grund: Den Zuschlag für den Breitband-Ausbau des Landkreises haben zwei andere Anbieter bekommen, "obwohl wir lange Zeit Telekom-Land waren", sagt Fehlinger.

Der neue Anbieter namens Inexio verspricht einen Anschluss an das Breitbandnetz bis 2020. EWR, der den Süden Westhofens mit 200 Haushalten versorgen soll, habe dem Bürgermeister Anfang Juli dazu keine Auskunft geben können. "In einem Hochhaus in Frankfurt verdienen Anbieter eben mehr als in einem Dorf mit 3000 Einwohnern", meint Fehlinger.

Dass es auch anders laufen kann, beweist das Dorf Eisenschmitt in der Eifel. Vor drei Jahren hatte der 320-Seelen-Ort weder Handyempfang, noch Breitband-Internet. Bürgermeister Georg Fritzsche bangte damals um die Zukunft seines Dorfes. "Wir haben es geschafft!", freut er sich heute. "Nach vielen Medienberichten haben wir das Thema mit neuem Nachdruck verfolgt und auf einmal ging alles."

In Eisenschmitt lagen im Frühjahr 2016 Glasfaserkabel bis zu einem zentralen Verteilerkasten im Ort, der die Haushalte mit bis zu 50 Mbit/s versorgt. Kurz vor der Bundestagswahl 2017 habe die Telekom auch das letzte Funkloch mit einer neuen Antenne geschlossen. Bis Ende 2019 soll nun Fritzsche zufolge "jeder letzte Zipfel" des Kreises Bernkastel-Wittlich mit schnellem Internet versorgt sein. Er sagt: "Wer jetzt nicht dabei ist, ist selber Schuld." (bme)