Der Palastrevolutionär

Klassiker: Honda Civic

Honda hat mit dem Civic und dem Accord zwei Autos in der ewigen Bestseller-Liste, was weltweite Verkäufe angeht. Das allein würde rechtfertigen, den Civic einmal ausführlich zu würdigen. Dabei gibt es dafür viele weitere Gründe

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Honda Civic 14 Bilder
Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Bernd Kirchhahn
Inhaltsverzeichnis

Was bisher geschah: Soichiro Honda behauptete sich mit seinem Dickkopf erst einmal gegen seinen Vater, um einen technischen Beruf zu erlernen, statt Bauer zu werden. Er bastelte und forschte viel und testete seine Fahrzeuge auch selbst, was ihm lokale und kurzfristige Geschwindigkeitsrekorde einbrachte. Erschüttert von der Zerstörung, die der Zweite Weltkrieg angerichtet hatte und von der Kapitulation Japans, trank er ein Jahr lang Reiswein, während er durch das Land fuhr. Dabei kam der Heureka-Moment: Japan braucht Mobilität. Also gründete er die Honda Motor Company. Kurz darauf legte er sich mit der japanischen Regierung an, die ihm verbieten wollte, Autos zu bauen. Honda gewann, weil er es verstand, gefällige, sportliche Autos zu bauen und die Massen zu mobilisieren, die das Verbot letztendlich kippten. Die Firma forcierte den Export (USA und Europa) und landete mit dem Honda S800 einen Prestigeerfolg.

Honda gerät in Schieflage

Ab ins Jahr 1967. Honda war gerade in Japan ein Erfolgsmodell geglückt. Der N600. Innerhalb eines Jahres wurde dessen Produktion auf 20.000 Stück pro Monat hochgefahren. Nicht aus Hybris, sondern um die Nachfrage zu bedienen. Doch Honda verstand sich früh als Weltmarkte und brachte das Modell auch nach Europa. Wo es floppte. Den Europäern war das Auto zu klein.

Um das finanzielle Hoppala auszugleichen, entwickelte die Marke unter Anleitung von Soichiro Honda selbst den Honda 1300. Ein Mittelklassewagen. Das ist wichtig zu wissen. Honda wollte mit diesem Auto die breite Masse bedienen und setzte dabei auf einen luftgekühlten Reihenvierzylinder, der 100 PS leistete und das Fahrzeug bis auf 175 km/h beschleunigte.

Es kann gar nicht genug betont werden, was für eine herausragende Ingenieursleistung es war, einem luftgekühlten Vierzylinder mit 1,3 Litern Hubraum diese Leistung zu entlocken, ohne, dass das Aggregat überhitzte. Sogar die Geräuschentwicklung war – zumindest für diese Art der Technik – überraschend gering. Honda nannte die Technik DDAC (Duo-Dyna-Air-Cooling). Das alles war kein Wunder, schließlich waren luftgekühlte Motoren, hohe Drehzahlen und Motorsport die Steckenpferde von Soichiro Honda.

Am Kunden vorbei

Aber eben nicht die der Kunden. Die breite Masse wollte ihren Wagen nicht bis 7000 Touren drehen und er war ihnen zu laut. Dazu kam, dass der amerikanischen Regierung diese Technik zu dreckig war. Als Ergänzung zum „Clean Air Act“ beschloss die US-Regierung Ende der 1960er-Jahre, dass bis 1975 alle Fahrzeuge ihren Ausstoß an Kohlenwasserstoffen, Stickstoffoxid und Kohlenmonoxid um 90 Prozent zu reduzieren hätten.

Soichiro Honda sah das als Herausforderung, die „Kinderkrankheiten“ seines Autos, das wie Blei in Showrooms seiner Händler stand, zu beseitigen. Pläne, einfach mit einer Wasserkühlung weiterzumachen, untersagte er seinen Ingenieuren.

Doch gab es in der Firma noch Takeo Fujisawa. Es war Fujisawa, dem es zu verdanken war, dass es Honda in dieser Form überhaupt noch gab. Seit Firmengründung arbeitete er an der Seite von Soichiro Honda und war dabei für die finanziellen Aspekte zuständig. Er organisierte das nötige Geld, als die Firma wachsen musste, als ein Viertakter entwickelt wurde, als Honda anfing Motorsport zu betreiben oder als der Export angekurbelt werden musste. Er war es, der Honda die Strategie an die Hand gab, wie der japanischen Regierung Paroli geboten werden könne. Fujisawa war mehr als nur die rechte Hand von Soichiro Honda, er war seine Überlebensgarantie, sein buchhalterisches Gewissen, sein permanenter Reality-Check.

Die friedliche Palastrevolution

Eine Verbindung, die weit über den üblichen, gegenseitigen Respekt am Arbeitsplatz hinausging. Als Fujisawa Anfang 1973 seinen Rücktritt erklärte – 25 Jahre hatte er an der Seite von Soichiro Honda gearbeitet – erklärte auch der seine Pensionierung: „So wie wir unser Werk gemeinsam begonnen hatten, mussten wir uns auch gemeinsam zurückziehen.“