Vorratsdatenspeicherung: Bundesregierung will Karlsruher Urteil hinauszögern

Geht es nach der Bundesregierung, sollte das Bundesverfassungsgericht vor einer Entscheidung über die Vorratsdatenspeicherung zunächst den EuGH anrufen.

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Vorratsdatenspeicherung: Bundesregierung will Karlsruher Urteil hinauszögern

(Bild: dpa, Ole Spata)

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Das zunächst noch für dieses Jahr angekündigte Urteil des Bundesverfassungsgerichts gegen die schwarz-rote Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung könnte länger auf sich warten lassen. Die Bundesregierung hat die Karlsruher Richter aufgefordert, den auf zahlreiche Verfassungsbeschwerden zurückgehenden Fall zunächst dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorzulegen. Sollten die Verfassungsrichter dem Appell folgen, würde sich ihre Entscheidung um Monate beziehungsweise Jahre verzögern. Sie müssten dann erst warten, bis eine Stellungnahme der Luxemburger Richter vorliegt.

Der EuGH hat das anlasslose Protokollieren von Verbindungs- und Standortdaten in zwei Urteilen aus 2014 und 2016 bereits als unvereinbar mit den europäischen Grundrechten erklärt. Laut einer Eingabe der Bundesregierung an das Bundesverfassungsgericht, die der Deutschlandfunk in Auszügen veröffentlicht hat, sollen die Karlsruher Richter aber durch ihre Luxemburger Kollegen prüfen lassen, ob die hiesige abgeschwächte Version der Vorratsdatenspeicherung auch von den EuGH-Grundsatzentscheidungen betroffen ist.

Die Anwälte der Regierung führen dabei gewissermaßen mildernde Umstände ins Feld. So habe der Bundestag die verdachtsunabhängige Speicherung 2015 "auf bestimmte Kommunikationsmittel wie Telefondienste und Internetzugangsdienste beschränkt". Zudem würden "nur bestimmte Datenkategorien" erfasst, Anschlüsse mit "besonderen Vertraulichkeitserwartungen" ausgenommen und Berufsgeheimnisträger wie Abgeordnete, Anwälte oder Ärzte besonders geschützt. Ferner sei die Speicherpflicht auf maximal zehn Wochen begrenzt, die Zugriffsmöglichkeiten seien auf die Bekämpfung schwerer Straftaten beschränkt worden.

Hiesige Verwaltungsgerichte entbanden klagende Telekommunikationsfirmen aber wiederholt auch von den überarbeiteten Vorgaben zur Protokollierung von Nutzerspuren unter Verweis auf die EuGH-Rechtsprechung. Die Bundesnetzagentur setzte die Auflagen mittlerweile aus, sodass sie nur noch auf dem Papier bestehen. Die Bundesnetzagentur hat beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gegen die Bescheide der niederen Instanzen geklagt. Auch in diesem Verfahren drängt die Regierung die Richter dazu, die aus ihrer Ansicht offen gebliebenen Fragen nach Luxemburg zu verweisen.

Bürgerrechtler und Datenschützer halten nichts vom Ansinnen der Regierung: "Da die Urteile des EuGH eindeutig sind, besteht kein Anlass, die Entscheidung über unsere Verfassungsbeschwerde durch erneute Befassung des EuGH zu verzögern", erklärte der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung. (anw)