Verstand auf Standby

Redner lullen uns gerne mit Argumenten ein, die niemand in Frage stellt. Hauptsache, hübsch emotional.

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Eigentlich wollte ich auf diesem Vortragsabend etwas über den Stand der künstlichen Photosynthese erfahren. Aber die Moderatorin sprach erst einmal über den Klimawandel und den kläglichen Zustand der Energiewende. Der erste Forscher auch. Und der zweite ebenfalls. Entsprechend wenig Zeit blieb für die Darstellung der eigentlichen Forschung.

Aaaargh!

Liebe Leute: Die Sache mit dem Klima hat sich unter Euren Zuhörern bereits herumgesprochen, sonst wären sie nicht da. Hört doch bitte auf, Eure und unsere Zeit mit Argumenten zu verschwenden, die ohnehin kaum noch jemand in Frage stellt. Ihr müsst doch im Jahr 2018 keinem mehr erklären, warum es eine schlaue Sache wäre, etwas gegen den Klimawandel zu tun. Und Klimawandel-Leugner oder Fossil-Lobbyisten, so es denn welche im Publikum geben sollte, lassen sich mit ein paar PowerPoint-Folien ohnehin nicht umstimmen.

Die Frage ist doch: Welche Technik ist am besten geeignet? Wie genau funktioniert sie? Was sind ihre Vor- und Nachteile? Dafür ist jede Minute Redezeit wichtig.

Besonders beliebt ist dieses am Kern vorbeireden offenbar auch in der Medizintechnik, wie mir bei der Geschichte des gescheiterten Start-ups Theranos immer wieder aufgefallen ist: Statt zu erklären, wie ihre Technik genau funktioniert, sprach Gründerin Elizabeth Holmes immer wieder darüber, wie doof Krankheiten sind. Weiß jeder, überrascht niemanden, ist aber so hübsch emotional. Damit kann man schön auf den Gefühlen des Publikums herumklimpern, auf dass sich dessen Verstand gelangweilt in den Standby-Modus zurückziehen möge.

Wer seine Präsentation mit der überaus überraschenden These eröffnet, was für eine tolle Idee es wäre, die Welt in irgendeiner Weise besser zu machen, dem sollte man bei den technischen Details sehr, sehr genau auf den Zahn fühlen.

(grh)