Pro & Contra: Nimmt Apple den Mund zu voll?

Auf den Keynotes brennt Apple zwar so manches Feuerwerk ab, viele Neuerungen wie die Ladematte AirPower kommen aber nur noch mit Verspätung auf den Markt. Kündigt Apple neue Produkte zu früh an?

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Artikel aus Mac & i Heft 5/2018, Seite 7

Pro

Apple sollte nur Produkte vorstellen, wenn sie kurz darauf in den Handel kommen, findet Holger Zelder.

Über ein Jahr warte ich schon, doch die induktive Ladematte AirPower ist noch immer nicht in Sicht. Apple hat inzwischen wortlos fast alle Hinweise darauf von der Website entfernt. Zur drahtlosen Ladehülle für die AirPods gibt der Hersteller lediglich an, dass sie „derzeit nicht erhältlich“ sei. Scheitert der wertvollste Technologiekonzern der Welt daran, Ladegeräte in den Handel zu bringen? Das wäre peinlich.

In letzter Zeit leistete sich Apple leider etliche Verspätungen: Die AirPods selbst waren für Oktober 2016 avisiert, lagen aber erst Mitte Dezember in den Verkaufsregalen. Beim HomePod zog Apple im letzten Jahr kurz vorm Verkaufsstart die Bremse und verschob ihn um drei Monate.

Profis warten seit Ewigkeiten drauf, dass endlich der Röhren-Mac-Pro abgelöst wird. Vor einem Jahr kündigte Tim Cook an, 2018 ein Nachfolgemodell sowie ein Profi-Display auf den Markt zu bringen. Inzwischen hat Apple das vorsichtig auf 2019 korrigiert. Für den Mac mini sagte der CEO schon 2017 ein großes Update zu, das bis heute nicht erschienen ist. Nach der Ankündigung des iMac Pro ging ein halbes Jahr ins Land, bis man ihn vorbestellen konnte.

Auch neue Software-Funktionen verschleppt der Hersteller immer wieder: Als die Siri-Box HomePod endlich auf den Markt kam, mussten Käufer auf das versprochene AirPlay 2 verzichten – das Streaming-Protokoll war noch nicht fertig. Gruppen-FaceTime soll erst im Herbst klappen. Das EKG der Apple Watch funktioniert erst später im Jahr, und dann zunächst nur in den USA. Auf Apple Pay mussten wir in Deutschland jahrelang warten.

Keine Frage, viele freuen sich, wenn Tim Cook und Co wieder einmal das nächste große Ding präsentieren. Wenn sich das aber dann verspätet, verlieren die Kunden die Geduld – oder, schlimmer noch – das Vertrauen.

Apple sollte sich meiner Meinung nach mehr Zeit lassen und Produkte erst kurz vor dem Verkaufsstart ankündigen. Die Käufer werden die Überraschung zu schätzen wissen. (hze)

Contra

Kai Schwirzke weiß gerne zeitig, welche neuen Produkte Apple im Köcher hat.

Ich möchte nur ungern als Betatester für halbgare Hard- und Software herhalten. Lieber soll man sich in Cupertino die Zeit lassen, die ein ausgereiftes Produkt benötigt. Wenn sich dadurch Verzögerungen ergeben, kann ich damit prima leben. Am pünktlichen Erscheinen einer drahtlosen Ladematte hängt jedenfalls meine Glückseligkeit nicht.

Nehmen wir den HomePod. Ja, die Firmware war zu Beginn unvollständig und der smarteste Speaker unter der Sonne kommt zurzeit auch nicht aus dem Hause Apple. Jedoch klingt die kleine Tonne derart gewaltig, dass Amazon sich just genötigt sah, neue Echo-Lautsprecher mit mehr Bass und Mitten vorzustellen. Vielen Kunden scheint wohl doch der Klang wichtiger zu sein als eine neunmalkluge Sprachassistentin. Apple hat also den passenden Fokus gesetzt und den richtigen Zeitpunkt für den Verkaufsstart gewählt – auch ohne AirPlay 2.

Frühe Ankündigungen helfen Apple außerdem, den nie versiegenden Gerüchtestrom halbwegs zu bändigen. Denn wer beizeiten sagt, was er plant, hat weniger Mühe, ständig auf kolportierte, womöglich auch noch falsche Gerätedetails zu reagieren. Zudem gibt Apple seinen Anwendern so Planungssicherheit: Wenn ich etwa weiß, dass im Laufe des Jahres neue Mac Pros erscheinen, kann ich rechtzeitig anfangen zu sparen und muss mich außerdem nicht bei der Konkurrenz umsehen.

Dass dies den Produkten keinesfalls abträglich sein muss, zeigte Apple mit den iMac Pros. Sie wurden auf der WWDC 2017 einem idealen Zielpublikum vorgestellt und kamen Anfang 2018 in den Handel. Vom Ergebnis waren wir begeistert, das Warten hatte sich gelohnt.

Im Übrigen hat Apple seine Kunden erst kürzlich mit neuen MacBook Pros überrascht. Ganz ohne Keynote, plötzlich waren sie da. Ohne langen PR-Vorlauf. Auch ihre iPhones stellen die Kalifornier stets zeitnah vor dem ersten Verkaufstag vor – und liefern pünktlich aus. In der Summe macht Apple bei seinen Produktankündigungen also alles richtig. (kai)

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