Post aus Japan: Autos auf dem Holzweg

Ein Konsortium aus Akademie und Privatwirtschaft will bis 2020 ein Fahrzeug zum Teil aus Nanozellulosefasern bauen. Es gibt dabei schon etwas Fortschritt.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Post aus Japan: Autos auf dem Holzweg

(Bild: Toyota)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Martin Kölling

Vergessen wir einmal für einen Moment künstliche Intelligenz und Roboter. In der Welt von Morgen ist auch immer noch genug Raum für Innovation in den guten alten Materialwissenschaften. Und Japan versucht hier schon länger seine führende Rolle zu behaupten, indem es die Entwicklung neuer Ideen vorantreibt. Und eines der großen Ziele ist, Japan zu einer Großmacht bei Nanofasern aus Zellulose zu machen, die allein oder beigemengt in Plastik sehr leichte und haltbare Bauteile schaffen sollen.

Mehr Infos

Seit 2014 gehören Nanozellulosefasern bereits zu den strategischen Forschungsbereichen. Denn die Regierung wittert die Chance, dass der Markt für dieses nachwachsende und damit vermeintlich klimafreundliche Material bis 2030 auf zehn Milliarden US-Dollar explodieren könnte. 2016 folgte dann ein das "Zellulosenanofaserauto-Projekt" mit dem ambitionierten Ziel, bis 2020 einen Sportwagen aus Zellulosebauteilen zu bauen. Und das Projekt aus Unternehmen und Universitäten scheint auf gutem Wege, das Ziel zu erreichen.

Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

Das Fachmedium Nikkei BP resümierte gerade, welche Bauteile eines Toyota 86 schon ersetzt worden wären. Und neu auf der Liste sind die vor allem Motor- und die Kofferraumhaube sowie die Sitzrückseite. Zuvor wurden schon so illustre Teile wie Ansaugstutzen, die Motorabdeckung und die Innenverkleidung der Tür aus Materialien hergestellt, die mit den Minifasern verstärkt und erleichtert wurden.

Die Motorhaube aus einem faser-beschichteten Polyurethankern beispielsweise wiegt 40 Prozent weniger als die bisher im Toyota 86 verbaute. Mit der Methode konnte das Formen von Bauteilen von 30 auf weniger als zehn Minuten verkürzt werden, so die Botschaft. Dies ist wohl noch weit davon entfernt, sich für Massenfertigung zu eignen. Aber es ist ein Fortschritt. Die rein aus Zellulose gefertigte Kofferraumhaube wiederum bringt dank einer Wabenstruktur nur noch 700 Gramm auf die Waage. Doch noch handelt es sich um ein Schönwettermodell. Das Unternehmen arbeite daran, die Wasserbeständigkeit zu erhöhen.

Die Beispiele zeigen, dass die Zeit für einen großen Durchbruch noch nicht reif ist. Sicher gibt es schon Nischenanwendungen wie für Tinte in Kugelschreiberminen oder Zwischensohlen von Laufschuhen. Doch noch stellt nur Nippon Paper Industries das Material in größeren Mengen, genauer gesagt 500 Tonnen pro Jahr, her. Und die Zellulose wird meist in den Erwachsenenwindeln als Geruchsbinder eingesetzt. Nur 50 bis 60 Tonnen werden derzeit laut einer Schätzung frei auf dem Markt gehandelt.

Für andere Anwendungen ist das Material noch zu teuer, besonders für den angestrebten Autobau. Aber Japans Ministerium für Wirtschaft, Handel und Industrie hoffte 2013, dass die Kosten von Nanozellulose von 40 bis 100 Dollar pro Kilogramm bis 2020 auf rund zehn Dollar sinken. Bei der "nächsten Generation" soll dann ein Kilogramm der Fasern mit weniger als fünf Dollar aufgewogen werden.

Bis es soweit ist, bleibe ich allerdings skeptisch. Mit Kohlenstoffnanoröhren und OLED-Displays habe ich schon zu viele Technologien gesehen, bei denen der Fortschritt bei traditionellen Materialien die ambitionierten Pläne der japanischen Wirtschaftsbeamten und Unternehmen verzögert hat. Aber die Idee, mit Holz andere Stahl, Beton und andere weniger klimafreundliche Zutaten des Industriezeitalters zu ersetzen, ist etwas Hoffen wert.

()