Einfach mal abschalten?

Kulturwandel im Silicon Valley: Vom schlaflosen Arbeitstier zum effizienten Premiumschläfer.

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Es gibt Menschen, denen reichen 24 Stunden am Tag einfach nicht. Die wollen schneller Lesen, effizienter arbeiten, zielgerichteter trainieren und am besten noch im Schlaf lernen – eine neue Sprache vielleicht, bessere Verhandlungstechniken.

Andere versuchen, die Zeit, in der sie scheinbar unproduktiv im Bett liegen, so weit wie möglich zu minimieren. Polyphasischer Schlaf heißt das Stichwort dazu: Kleine Nickerchen von maximal 20 Minuten Dauer verstreut über den Tag sollen angeblich reichen, um den Menschen am Laufen zu halten. Es gibt sogar eine Gesellschaft, die sich der Förderung dieser Technik widmet. Andere greifen zu chemischen Wachmachern. Orexin-A galt zuletzt als Wunderdroge, die Ratten nach 30 Stunden Schlafentzug wieder topfit zu machen. Für den Menschen scheint sich das Zeug aber nicht so bewährt zu haben - jedenfalls ist das entsprechende Medikament noch nicht auf den Markt.

All diese Menschen müssen jetzt sehr tapfer sein, denn neue wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass Schlafen schlicht eine notwendige Pause für das Gehirn zu sein scheint. Eine Pause, in der die kognitiven Fähigkeiten so weit wie möglich runter gefahren werden. Was auch bedeutet, dass Lernen im Schlaf schlicht nicht funktioniert.

Dass ergibt jedenfalls eine neue Studie mit dem zugegebenermaßen etwas sperrigen Titel "Lack of frequency-tagged magnetic responses suggests statistical regularities remain undetected during NREM sleep". Das Paper sagt im wesentlichen aus, dass auch schlafende Menschen zwar auf gelernte Reize wie Töne oder einzelne Wörter reagieren - sie also erkennen. Ein Zusammenhang zwischen einzelnen Wörtern oder Tönen wird jedoch nicht gebildet.

Dass Paper passt zu einem Kulturwandel, der sich gerade im Silicon Valley anbahnt. Die lange gepflegte Kultur der Rastlosigkeit scheint etwas im Niedergang: Gründertypen, die morgens um vier ein paar Runden joggen, um dann zu meditieren, in Ruhe ein Buch zu lesen, zu frühstücken, um dann um sieben Uhr zur ersten Besprechung im Büro zu sein, kommen ein bisschen aus der Mode.

Was aber passiert stattdessen? Richtig schlafen liegt voll im Trend: Bereits im April 2017 berichtete die New York Times darüber, dass Schlaf das neue Statussymbol geworden ist. Nur schade, dass auch dahinter eine Geschäftsidee steckt. Schon gibt es die ersten Gadgets und Apps, die dem Kunden helfen sollen, nicht irgendwie zu schlafen, sondern optimal. So wird das Ausruhen schnell wieder zur Arbeit. Vielleicht sollten wir statt dessen lernen, einfach mal abzuschalten.

(wst)