Belastungsstörung

Diskussion um Luftbelastung

Bei einem Treffen des Koalitionsausschusses sollen Maßnahmen beschlossen werden, die die Belastung der Luft mit Schadstoffen in den Städten senken. Im Gespräch sind Kaufanreize für Euro-6-Autos und Hardware-Nachrüstungen. Doch ein langfristiger Plan fehlt

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Von
  • Martin Franz

Die Politik will ihre Handlungsfähigkeit demonstrieren: Bei einem Treffen des Koalitionsausschusses sollen am Montag (1. Oktober 2018) Maßnahmen beschlossen werden, die die Belastung der Luft mit Schadstoffen in den Städten senken. Damit sollen Fahrverbote für Diesel verhindert werden. Im Gespräch sind Kaufanreize für Neuwagen, die von der Union für wichtig erachtet werden, und Hardware-Nachrüstungen, die nach dem Willen der SPD die Hersteller allein bezahlen sollen.

Neue Autos sollen es richten

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) setzt vorrangig auf Anreize, damit mehr Diesel-Besitzer Fahrzeuge der Klassen Euro 4 und Euro 5 in Autos mit der Abgasnorm Euro 6 investieren – Benziner oder Diesel, neue oder gebrauchte. Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht dies als „Hauptelement“ des neuen Konzepts. Offen blieb über das Wochenende zunächst, in welchen Regionen solche Prämien von mehreren Tausend Euro angeboten werden sollen. Neben den 14 Städten, in denen die Belastung mit Stickstoffdioxid (NO2) 2017 mehr als 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft betrug, werden für andere betroffene Städte spezielle Lösungen angestrebt – unter anderem für Frankfurt am Main, wo nach einem Gerichtsurteil 2019 Fahrverbote kommen sollen.

Zusätzlich soll für Euro-5-Diesel die Nachrüstung von SCR-Kats ermöglicht werden – das Urteil zu Frankfurt hatte hier für Bewegung gesorgt. Merkel, die lange gegen Hardware-Nachrüstungen argumentiert hatte, öffnete sich angesichts dessen dafür. Offen waren aber Fragen der Haftung. Wo ein Betrug juristisch sauber nicht nachgewiesen werden kann, dürfte es schwer werden, den jeweiligen Hersteller zu einer Investition in ein altes Auto zu bewegen. Die Bundesregierung pochte aber darauf, dass die kompletten Kosten von den Herstellern zu tragen seien.

Widerstand

Genau dagegen regt sich Widerstand. Die Betriebsratsvorsitzenden von VW, Daimler und BMW sprachen sich gegen pauschale Hardware-Nachrüstungen für Dieselfahrzeuge aus. „Wir sind gegen eine Lösung, die einseitig deutsche Hersteller benachteiligen und Arbeitsplätze gefährden würde“, erklärten Bernd Osterloh (VW), Michael Brecht (Daimler) und Manfred Schoch (BMW) in einem gemeinsamen Apell in der Bild-Zeitung (Ausgabe vom 1. Oktober 2018). Sie favorisierten Umtauschprämieren, um alte Diesel von der Straße zu holen. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sagte dagegen der Passauer Neuen Presse (Ausgabe vom 1. Oktober 2018), auch mit einer Umtauschprämie von ein paar tausend Euro würden sich viele Diesel-Fahrer keinen neuen Wagen leisten können.

Wie nachhaltig ist das?

Eine nachhaltige Lösung, die auch zur Versachlichung beiträgt, zeichnet sich vorerst nicht ab. Die von den Politikern gern aus „sauber“ bezeichneten Euro-6-Autos sind es oftmals nicht. Das betrifft den Diesel ebenso wie den Benziner. Diesel wurden vielfach mit einem Speicherkat ausgerüstetet, der bei einem höheren Stickoxid-Eintrag nicht reagieren kann. Was in diesem Fall im Wesentlichen bleibt, ist eine Erhöhung der Abgasrückführrate (AGR-Rate). Damit sinkt die Temperatur im Brennraum und somit auch der NOx-Anteil im Abgas. Doch gleichzeitig steigt der Verbrauch, die Leistung sinkt. Zusätzlich besteht die Gefahr der Versottung, also der Zusetzung des AGR- und Ansaugbereichs.

Der Umstieg auf einen Benziner verspricht keineswegs langfristige Planungssicherheit. Für alle direkt in den Brennraum einspritzenden Benziner gilt ab der Abgasnorm Euro 6c eine neuer Grenzwert für die Partikelanzahl – nicht zu verwechseln mit der Partikelmasse. Das schaffen die meisten Motoren nur mit einem Filter, den viele Hersteller erst seit diesem Frühsommer verbauen. Käufer von neuen Benzinern ohne Filter dürfen sich auf die herannahende Diskussion um den gefährlichen Feinstaub einstellen. Dass es für den noch viele weitere Quellen gibt, wird den filterlosen Benzinern nicht helfen. Die Diskussion wird vermutlich ebenso ablaufen wie beim Selbstzünder.

Einen wirklich großen Schritt bedeutet die verpflichtende Einführung der Abgasnorm Euro 6d-Temp ab dem 1. September 2019. Erst damit wird ein Nachweis über den NOx-Ausstoß auf der Straße Pflicht. Ein Betrug wird damit nicht unmöglich, aber zumindest etwas erschwert. Denjenigen, die kein Geld für einen Neuwagen haben, nützt das alles nichts. Sie sind darauf angewiesen, dass die Politik für eine langfristige Planungssicherheit sorgt. Angesichts dessen, wie dieses Thema aktuell auf dieser Ebene aufbereitet wird, sind daran Zweifel erlaubt.

(mit Material der dpa) (mfz)