Post aus Japan: Vom Pionier zum Klimasünder

Der jüngste Bericht des Weltklimarats forderte einen Kraftakt, um die Erwärmung des Weltklimas auf 1,5 Prozent zu bremsen. Doch Nippon verweigert sich noch stärker als Deutschland.

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Post aus Japan: Vom Pionier zum Klimasünder

(Bild: "old nuclear plant" / Jeanne Menjoulet / cc-by-2.0)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Martin Kölling
Inhaltsverzeichnis

Es gehört wenig Fantasie dazu, sich bei der Lektüre der jüngsten Studie des Weltklimarats vor der Zukunft zu gruseln. Allenfalls Geduld, um sich durch das nüchtern verschwurbelt wissenschaftliche Werk zu arbeiten, das am Montag nach der Plenartagung des Weltklimarats vorgestellt wurde. Der Bericht sollte unter anderem ergründen, was nötig sei, um die durchschnittliche Klimaerwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Und kurz zusammengefasst ist die Botschaft, dass dies nur noch mit einer riesigen Kraftanstrengung möglich ist.

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Bis 2030 müssten die globalen Netto-Kohlendioxidemissionen um 45 Prozent unter den Stand von 2019 und bis 2050 auf null Prozent sinken, um diese Marke noch zu erreichen. Und der Bericht erklärt, warum dies wichtig wäre. Denn der kleine Unterschied zum offiziellen Klimaziel von zwei Grad zeitigt schon große Unterschiede in den Auswirkungen.

Das Problem: Die Welt bremst viel zu wenig. Beim derzeitigen Tempo im Klimaschutz übertrifft die durchschnittliche Klimaerwärmung mit drei Grad selbst das offizielle deutlich. Und noch schlimmer: Gerade die Autonationen Deutschland und Japan betätigen sich als Bremser. Und da ist es nur ein schwacher Trost, dass Japan noch weniger ambitioniert wirkt als das Merkel-Land.

Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

Deutschland musste auf der jüngsten EU-Umweltministertagung zu der Zusage gezwungen werden, bis 2030 den Kohlendioxidausstoß von Autos wenigstens um 35 Prozent zu senken. Japan hat leider weder eine EU noch eine starke öffentliche Umweltschutzbewegung, die die Regierung antreiben könnten. Und dementsprechend sieht auch amtliche Ziel aus.

Bis 2030 will die Regierung die Kohlendioxidemissionen des gesamten Landes um 26 Prozent senken. Doch dieser Wert wirkt noch weniger ambitioniert, wenn man auf das Bezugsjahr schaut. Japan nimmt nicht 2010, sondern 2013 als Stichjahr. Doch dazwischen lag die Atomkatastrophe von Fukushima, die zu einer Abschaltung aller Atomreaktoren und zu einer Einschaltung von Kohlekraftwerken und damit einem massiven Sprung von Japans Sündenbeitrag zum Klimawandel führte.

Bis 2010 hatte Japan das Ziel, bis 2030 den Anteil des Atomstroms auf über 50 Prozent und den von Kohlestrom auf unter zehn Prozent zu treiben. Doch 2016 stammte plötzlich fast ein Drittel des Stroms aus Kohlekraftwerken und noch mehr aus etwas weniger klimaschädlichen Gaskraftwerken.

Das allerschlimmste dabei ist, dass Ministerpräsident Shinzo Abe keinerlei Anzeichen gibt, dass Japan den Ernst der Lage verstanden hätte. Er hält weiterhin an seiner atom- und kohlehaltigen Energiestrategie fest. Anstatt radikal auf erneuerbare Energieträger zu setzen, will er bis 2030 zusätzlich zu den 90 Kohlekraftwerken 30 neue bauen.

Doch es könnten leicht noch mehr werden. Denn den Anteil des Atomstroms will Abe wieder auf 20 bis 22 Prozent erhöhen, den von Kohle nur auf 26 Prozent senken. Nur halten selbst einige japanische Experten den Wiederausbau der Atomkraft angesichts der lokalen Widerstände für einen Wunschtraum.

Damit würde sich schon bald die Frage stellen, womit sonst als mit Kohle oder Gas Japan die neuerliche Atomstromlücke schließen wollte. Denn eine aggressive Wette auf erneuerbare Energieträger, wie Abes Mentor, der ehemalige Ministerpräsident Junichiro Koizumi sie fordert, ist unwahrscheinlich, solange der öffentliche Druck so schwach ist. Und derzeit sieht es nicht nach einem Wandel aus.

Sicher wollen inzwischen immer mehr Investoren langfristig aus Investitionen in Kohlekraft aussteigen. Aber in Japan wird jegliche ernsthafte, breite Diskussion über den Ernst der Lage und die Notwendigkeit radikalerer Reduktionziele für Kohlendioxid verdrängt. Ausgerechnet das Land, das sich als einer der Initiatoren des Klimaschutzprotokolls von Kioto feiert, droht damit vom Pionier zu einem der größten Klimasünder zu werden.

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