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Seilbahnen als Teil des ÖPNV

Bayerns Verkehrsministerin Ilse Aigner will Seilbahnen in den öffentlichen Nahverkehr integrieren. Das wäre vor allem in stark expandierenden Regionen wie rund um München möglicherweise ein Baustein, den täglichen Berufsverkehr zu entlasten

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(Bild: Leitner Seilbahn Berlin)

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  • dpa
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Bayerns Verkehrsministerin Ilse Aigner will Seilbahnen in den öffentlichen Nahverkehr integrieren. „Jede kreative Idee, die uns hilft, Verkehrsinfarkte zu verhindern, verdient eine ernsthafte Prüfung“, sagte die CSU-Politikerin dazu. Das wäre vor allem in stark expandierenden Regionen wie rund um München möglicherweise ein Baustein, den täglichen Berufsverkehr zu entlasten. Übertriebene Hoffnungen sollten damit allerdings nicht verbunden werden.

Bayern führt

Keine lokalen Abgase, kaum Verkehrslärm, kein Stau und alle 30 Sekunden eine neue Mitfahrgelegenheit: Seilbahnen könnten als Teil des öffentlichen Nahverkehrs in deutschen Städten ein wichtiges Puzzleteil im Kampf gegen den Verkehrskollaps sein. Doch sie sind es zumindest aktuell noch nicht. Bayern will es nun auf einen Versuch ankommen lassen. Erfahrungen mit Seilbahnen hat der Freistaat: Nirgendwo sonst in Deutschland gibt es so viele Seilbahnen wie in Bayern – aber bislang eben vor allem in den Bergen.

Sofern die Seilbahnen dann auch in die örtliche Tarifstruktur eingebunden seien, könne der Freistaat Geld zum Bau und Ausbau zuschießen. In diesen Genuss könnte die Stadt München kommen, wenn sie das Projekt „Seilbahn am Frankfurter Ring“ realisiert. Die schwebenden Gondeln sollen auf etwa 4,5 Kilometern drei U-Bahnhöfe miteinander verbinden. Eine Machbarkeitsstudie will die Stadt München demnächst in Auftrag geben.

210 gibt es schon

Dem Ministerium zufolge wäre die Seilbahn die europaweit längste, die nicht touristischen Zwecken dienen würde, sondern regulärer Teil des öffentlichen Nahverkehrs wäre. Touristisch genutzte, urbane Seilbahnen gibt es beispielsweise in Koblenz und Berlin, wo sie im Rahmen von Gartenschauen entstanden sind und noch immer über den Ort schweben. Insgesamt gibt es in Deutschland 210 Seilbahnen, heißt es beim Verband Deutscher Seilbahnen.

Als Ergänzung des touristischen Angebots wird auch in bayerischen Kommunen immer wieder mal über neue Seilbahnen nachgedacht. Könnte die Würzburger Festung Marienberg nicht auch mit einer Seilbahn erreicht werden, fragte beispielsweise der Leiter des Museums für Franken. Die Stadt ist bei dem Thema zurückhaltend und verweist auch auf das historische Stadtbild, in das sich die Seilbahn einfügen müsse.

Auch im unterfränkischen Rödelsee steht seit vielen Jahren die Idee einer Seilbahn auf den nahe gelegenen Schwanberg im Raum. Etwa 400.000 Menschen laufen oder fahren jedes Jahr auf den Berg mit der schönen Aussicht über Wälder und Weinberge. „Eine Seilbahn ist auf jeden Fall wirtschaftlich zu betreiben“, ist sich der 1. Bürgermeister Burkhard Klein deshalb sicher.

Gefahr der "Zerredung"

Das Projekt sei nicht nur für den Tourismus ein Gewinn, es schütze zudem das Klima. „Wir sparen so unwahrscheinlich CO2 ein.“ Die Busse und Autos würden viermal so viel Abgase in die Luft pusten. Noch ruhen die schon weit ausgereiften Pläne in der Schublade des Bürgermeisters. Er will zunächst die Entwicklung in München abwarten. „Die Gefahr ist nämlich, dass die Idee zerredet wird. Nur, weil man Angst davor hat.“

Diese Befürchtung bestätigt auch Verkehrsplaner Heiner Monheim. Der emeritierte Professor für Raumentwicklung an der Universität Trier und Mitinhaber des raumkom-Instituts für Raumentwicklung und Kommunikation gilt als der Experte für urbane Seilbahnen. Seine Erfahrung zeigt: Die Seilbahn-Planer müssen einigen Widerstand überwinden. „Das ist bei unserem Beteiligungsverfahren nicht ganz leicht. Wenn die Gondeln über Häuser schweben sollen, werden sie immer Proteste bekommen.“ In Bonn, wo eine Machbarkeitsstudie bereits fertiggestellt wurde, sei das derzeit der Fall. In Hamburg scheiterten Seilbahn-Pläne am Nein der Bürger.