Missing Link: Roboter verändern die Zukunft - Wer nimmt darauf Einfluss?

Die Entwicklung von Robotern verändert unser Leben auf Generationen. Wie, sollten nicht nur Ingenieure, Informatiker und Wirtschaftspolitiker entscheiden.

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CeBIT

(Bild: Gerd Altmann)

Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Hans-Arthur Marsiske
Inhaltsverzeichnis

Bei seinen Schlussworten zum World Robot Summit in Tokio lobte der Vorsitzende des Beratergremiums Takeo Kanade (Carnegie Mellon University) die Leistung der Organisatoren und der Teilnehmer des Roboterwettbewerbs. Er betonte aber auch, dass die vielleicht wichtigste Rolle den Zuschauern zukäme. Ähnlich hatte sich im Vorfeld der Veranstaltung Satoshi Tadokoro, Leiter der Kategorie Disaster Robotics, geäußert. "Gute Roboter werden nicht allein von Ingenieuren und Wissenschaftlern entwickelt, sondern von den Nutzern", sagte er im Interview mit heise online. Um die Akzeptanz der Öffentlichkeit zu gewinnen, sei es wichtig, "Wettbewerbe in einer möglichst realistischen Umgebung auszutragen und zu erproben, wie Roboter genutzt werden können".

Ist der World Robot Summit (WRS) diesem eigenen Anspruch gerecht geworden? Mit ein paar Tagen zeitlichem Abstand ergibt sich im Rückblick ein gemischtes Bild.

Positiv springt zunächst einmal der enorme Aufwand ins Auge, mit dem die Organisatoren sich bemühten, den Zuschauern das Geschehen in den verschiedenen Arenen möglichst nahe zu bringen. Zum einen waren die Wettbewerbsbereiche sehr gut und transparent gestaltet. Weil die Zahl der Plätze, von denen aus sich das Geschehen mit eigenen Augen verfolgen ließ, aber naturgemäß begrenzt war, waren Kamerateams im Einsatz, die die laufenden Wettbewerbe auf große Leinwände in der Halle projizierten und live ins Internet übertrugen. Bei jeder Arena saßen professionelle Moderatoren, die die Aktionen der Roboter zumeist im Dialog kommentierten, häufig auch ein Teammitglied dazu befragten. Die Qualität der japanischen Kommentare kann ich aufgrund fehlender Sprachkenntnisse nicht beurteilen. Aber dass überhaupt so ausführlich kommentiert wurde, ist allein schon ein großes Plus: Das Publikum wurde offensichtlich sehr ernst genommen.

Die Zahl der Zuschauer, die davon erreicht wurden, hielt sich gleichwohl in Grenzen. In den Wettbewerbshallen, wo der Leistungsstand der Robotik in verschiedenen Anwendungsfeldern ungeschönt präsentiert wurde, hatten die Besucher in der Regel große Bewegungsfreiheit. Die Livestreams verzeichneten nur wenige Dutzend Zugriffe. In der benachbarten Ausstellungshalle mit ihren schön herausgeputzten Versprechungen dagegen herrschte Gedränge. Auch viele Presseberichte griffen lieber die wirkungsvoll inszenierten Exponate auf als die mühsam sich abrackernden Roboter des Wettbewerbs.

Eine fast 20 Meter hohe Gundam-Figur vor dem Einkaufszentrum Diver City

(Bild: heise online/Hans-Arthur Marsiske)

Um den Stoßseufzer eines Schiedsrichters bei einem anderen Roboterwettbewerb aufzugreifen: Oft genug kann es aufregender sein, der Farbe beim Trocknen zuzusehen, als mitzuverfolgen, wie sich ein Roboter an einer vermeintlich simplen Aufgabe abmüht. Das ist auch völlig in Ordnung so. Es ist schließlich die Aufgabe solcher Wettbewerbe, den Leistungsstand abzubilden, zu zeigen, was möglich ist und wo die größten Schwierigkeiten liegen. Roboterturniere sind keine Unterhaltungsshows. Die Belustigung des Publikums ist nicht ihr vorrangiges Ziel und sollte es auch nicht sein.

Ohne einen gewissen Unterhaltungswert wird sich allerdings die Öffentlichkeit kaum stärker für die Robotik interessieren und in ihre weitere Entwicklung einbinden lassen. Von daher ist es schwer nachvollziehbar, warum die Organisatoren des WRS, die sich bei der Gestaltung des Wettbewerbs offensichtlich stark vom RoboCup haben inspirieren lassen, ausgerechnet dessen unterhaltsamste und zugleich instruktivste Wettkampfkategorie außen vor gelassen haben: den Roboterfußball.

Vermutlich wirken sich hier die Rahmenbedingungen für die Entstehung des WRS aus: Hervorgegangen ist dieser Wettbewerb aus der Forderung des japanischen Premierministers Shinzō Abe nach mehr Innovationen, ist also in erster Linie wirtschaftspolitisch begründet. Und Wirtschaftspolitiker, die in vergleichsweise kurzen Zeiträumen denken und möglichst schnell zu vermarktbaren Produkten kommen wollen, können mit Roboterfußball in der Regel wenig anfangen. Es gibt dafür halt kein überzeugendes Geschäftsmodell.

Dafür bietet das Fußballfeld aber immer noch die derzeit beste verfügbare Bühne, um dem Zuschauer einen intuitiven Zugang zu den Grundfragen der Künstlichen Intelligenz (KI) zu erschließen. Wie nirgendwo sonst lässt sich hier durch bloßes Zuschauen auch die Entwicklung der KI über die Jahre verfolgen. Jeder kennt und versteht dieses Spiel und kann anhand der Aktionen der Roboter nachvollziehen, wie viel Intelligenz in vermeintlich simplen Sinneswahrnehmungen steckt. Wer einen öffentlichen Dialog und Diskurs über KI und Robotik befördern möchte, hat hier ein ungemein wirkungsvolles Hilfsmittel zur Hand.

Es ist schwer nachvollziehbar, warum der WRS ohne Not darauf verzichtet. Konnten sich die Organisatoren nicht gegen die Geldgeber in der Politik durchsetzen? Oder war es ihnen peinlich, einfach nur eine Kopie des RoboCup vorzuschlagen? Dabei müsste es keine reine Kopie sein: Mit seinem 4-Jahre-Turnus und der besseren finanziellen Ausstattung könnte der WRS so etwas wie die Profiliga des RoboCup sein. Die vielversprechendsten Ansätze, die die "Amateure" weiterhin bei ihren alljährlichen Turnieren entwickeln, könnten hier alle vier Jahre in konzentrierterer Form, vielleicht auch unter härteren Bedingungen getestet werden.