Digitalstrategie: Mensch nicht auf "Faktor eines Algorithmus" reduzieren

Die Bundesregierung will die digitale Agenda mit einer "Umsetzungsstrategie" fortschreiben und setzt auf weniger Funklöcher, "digitale Engel" und Blockchain.

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Digitalstrategie des Bunds: Mensch darf nicht auf "Faktor in einem Algorithmus" reduziert werden

(Bild: heise online)

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Die Bundesregierung will die digitale Agenda von 2014 mit einer "Umsetzungsstrategie" fortführen. Sie will sie planmäßig am Donnerstag beschließen. Mit der Strategie, die heise online vorliegt, sollen die wichtigsten Vorhaben aller Ressorts in den Bereichen digitale Kompetenz, Infrastruktur und Ausstattung, Innovation und digitale Transformation, Gesellschaft im digitalen Wandel sowie "moderner Staat" unter ein "strategisches Dach" zusammengeführt werden.

Sicherheit sei dabei Voraussetzung für eine "nachhaltige und erfolgreiche Digitalisierung", sodass das Thema "in allen fünf Handlungsfeldern mitbetrachtet" worden sei. Alle Schwerpunktvorhaben seien erstmals aus Sicht der Nutzer gedacht. Jedes Ressort werde im Implementierungsprozess die "jeweilige Zielgruppe" im Blick haben und Vorhaben so konsequent an deren Bedürfnissen ausrichten. Die Strategie werde permanent weiterentwickelt und der Umsetzungsstand auf dem Portal digital-made-in.de transparent gemacht.

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Die Regierung unterstreicht ihr Vorhaben, dass bis Ende 2025 ganz Deutschland einschließlich dünn besiedelter ländlicher Räume "über gigabitfähige Netze versorgt wird". Das Breitbandförderprogramm werde daher auf den Ausbau von Glasfasernetzen ausgerichtet, Gewerbegebiete, Schulen und Krankenhäuser noch in dieser Legislaturperiode an solche Leitungen angeschlossen, heißt es. Vom dem von Schwarz-Rot geplanten Rechtsanspruch auf schnelles Internet ist dagegen keine Rede, obwohl es sich dabei um ein Steckenpferd von Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) handelt.

Von der 2019 anstehende Frequenzauktion verspricht sivh das Kabinett "verbesserte Versorgungsauflagen" vor allem rund um das Straßen- und Bahnnetz zunächst für eine "4G-Flächenabdeckung". Zudem sollen "gezielte Akzente für den Ausbau der 5G-Technik" gesetzt werden. In dieser "Schlüsseltechnik der digitalen Transformation" solle Deutschland zum Leitmarkt für Anwendungen wie Industrie 4.0, Telemedizin und autonomes Fahren werden.

Erstmalig werde die Industrie die Möglichkeit erhalten, "auf regional begrenzte Frequenzressourcen zuzugreifen", verkündet das Kabinett und folgt damit dem Drängen von Konzernen wie Siemens oder Daimler. Damit solle Unternehmen der Weg geebnet werden, selbst Dienste auf der Basis der nächsten Mobilfunkgeneration zu entwickeln. Neu ist auch die Ankündigung einer "5x5G-Strategie", mit der die Politik bis 2021 "die Erprobung von 5G-Anwendungen in Realumgebung" unterstützen und Leuchtturmprojekte anstoßen will, die frühzeitig die Nachfrage nach der neuen Funktechnik ankurbeln sollen.

Im Bereich Kompetenzförderung bringt die Regierung den lange verzögerten Digitalpakt Schule, eine Initiative "Berufsbildung 4.0" und eine für Mitte 2019 angekündigte "nationale Weiterbildungsstrategie" ins Spiel. Auch gelte es besser darin zu werden, aus hervorragender technischer Forschung auch hervorragende technische Produkte 'Made in Germany' und 'Made in Europe' auf den Markt zu bringen. In Kooperation "mit allen Weltregionen" sollen internationale Standards etwa im Bereich Künstliche Intelligenz gesetzt und globale Aufgaben wie der Klima- und Umweltschutz durch digitale Innovationen besser bewältigt werden.

Die Regierung will weiter die Lage von Startups verbessern, sodass Gründer einfacher Wagniskapital mobilisieren und sich mit der etablierten Wirtschaft vernetzen können. Die Initiative "Digital Hub" für technische Schwerpunktregionen soll ausgebaut werden. In einer "Blockchain-Strategie" will das Kabinett im kommenden Jahr geeignete Rahmenbedingungen für die dezentrale Datenbanktechnik und darauf aufbauende Krypto-Anwendungen schaffen.

Das Auswärtige Amt hat im Bereich Innovation vor, "Big Data für Früherkennung und Analyse krisenhafter Entwicklungen" zu nutzen. Das Justizressort will die Rechte der Nutzer sozialer Netzwerke "bei ungerechtfertigten Löschungen und Sperrungen" stärken. Ebenso soll die "Datenportabilität und Interoperabilität" bei Facebook & Co. ausgebaut werden, um die Anbieterwahl zu vereinfachen. Von einer Reform des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes ist nichts zu lesen.

Die Regierung gelobt, "ethische Leitlinien für einen verantwortlichen digitalen Wandel" aufzustellen, um den Einzelnen zu schützen, ein gutes Zusammenleben in unserer Gesellschaft zu wahren und den Wohlstand zu sichern. Gefragt sei dafür neben wissenschaftlicher und technischer Expertise, die etwa die Datenethikkommission einbringen soll, "eine digital-kompetente Zivilgesellschaft" mit aktiven Diskussionsbeiträgen.

Der Mensch müsse auch im "Datenrecht" im Mittelpunkt stehen und dürfe "niemals nur irgendein Faktor in einem Algorithmus sein". Maschinelle Prognose- und Entscheidungssysteme müssten nachvollziehbar und transparent sein, ethische Werte von Anfang an in die Technik eingebaut werden. Haftungsregeln für autonome System sollen überprüft und gegebenenfalls angepasst, international Grenzen für die Entwicklung von Killer-Robotern definiert werden.

Nicht zuletzt plant das Kabinett, beim darbenden E-Government den Schalter umzulegen. Der Austausch mit der Verwaltung und die Beantragung von Leistungen sollen für alle einfach und sicher werden, bis Ende 2022 alle Behördendienstleistungen auch online verfügbar sein.

Die Verwaltung müsse aufgeschlossener gegenüber Innovationen sein mit "offenen Standards, Open Source Software und guter technischer Infrastruktur" inklusive "Green-IT". Andererseits sollen alle wirtschaftlichen Akteure "auch in einer digitalen Zukunft an der Finanzierung öffentlicher Güter angemessen beteiligt werden", zeigt sich das Kabinett offen für europäische und internationale Initiativen für eine Digitalsteuer. (anw)