Nach US-Wahlen: Musiker hoffen auf bessere Krankenversicherung und Tantiemen

Medien-Monopole, Radiotantiemen und die Krankenversicherung sind für US-Musiker eminente Themen. Sie hoffen auf neue Impulse durch das US-Wahlergebnis.

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Musikant mit Schlagzeug aus Plastikkübeln

Straßenmusikant in Baltimore

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 8 Min.
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"Die Diskussion über Krankenversicherungen wird sich ändern. Es wird weniger um Abschaffung (des unter US-Präsident Obama eingeführten Versicherungspflichtmodells) gehen, sondern mehr um die Erweiterung des Zugangs sowie die Senkung der Kosten", erwartet Kevin Erickson, Direktor der Future of Music Coalition (FMC). Diese gemeinnützige Organisation setzt sich seit 18 Jahren für die Interessen Musikschaffender ein.

Dazu gehörten natürlich die Themen Tantiemen, Copyright, Monopole und Netzneutralität. Aber das "Obamacare" genannte Krankenversicherungskonzept hat in den letzten Jahren besonders viel von Ericksons Zeit in Anspruch genommen. "Musiker sind überdurchschnittlich betroffen", erklärt Erickson im Gespräch mit heise online kurz nach den US-Wahlen. Die Wahlen haben unter anderem dazu geführt, dass die Demokraten im Repräsentantenhaus eine Mehrheit haben. Und diese Mehrheit wird Obamacare verteidigen.

In den USA sind Krankenversicherungen sehr häufig eine Leistung des Arbeitgebers, aber nur für Vollzeitkräfte: "Musiker arbeiten oft an verschiedenen Orten in Teilzeit, und damit bekommen sie von dort keine Versicherung. Dazu kommen systemimmanente Barrieren. Unsere Einkünfte lassen sich schwer vorhersagen. Daher kann es schwierig sein, die monatlichen Raten pünktlich zu zahlen", erläutert Erickson,

"Außerdem touren viele von uns. Das erfordert spezielle Krankenversicherungspolicen, die teuer und schwer zu finden sind." Viele US-Krankenversicherungen decken nur Leistungen von Einrichtungen ab, die einen speziellen Vertrag mit der jeweiligen Versicherungsanstalt abgeschlossen haben. Die "Versorgungsnetze" sind meist auf eine Region beschränkt, was im Tour-Leben wenig hilft. Hinzu kommt, dass es Musiker gibt, die zu viel verdienen, um am staatlichen Versicherungsprogramm Medicaid teilnehmen zu können, aber zu wenig verdienen, um von Steuergutschriften zu profitieren.

Bisher hat FMC die bestehende Obamacare, deren Gesetz eigentlich Affordable Care Act (etwa Gesetz für leistbare Versorgung) heißt, verteidigt. In nächster Zeit werde es eher um Gespräche mit Abgeordneten und Thinktanks über einen Ausbau der Versorgung gehen. Doch eine Gesetzesnovelle muss nicht nur durch das von Demokraten dominierte Repräsentantenhaus, sondern auch durch den von Republikanern dominierten Senat. "Wir blicken wahrscheinlich auf eine Zeit nach (den nächsten Wahlen) 2020, bevor es möglich sein wird, den nächsten Schritt vorwärts zu setzen", schätzt Erickson die politische Lage ein.

"So viel des Musik-Geschäfts läuft online. Die Möglichkeit, im Internet um die Gatekeeper herumzukommen, ist von eminenter Bedeutung. Wir können auch ohne großes Promotion-Budget mit Fans in Kontakt treten", beschreibt Erickson die besondere Bedeutung der Netzneutralität für seine Klientel. Gatekeeper seien beispielsweise kommerzielle Radiostationen, die keine aktuelle, lokale Musik spielten. Daher setzt sich die FMC bereits seit mehr als zehn Jahren für Netzneutralität ein, "schon bevor das ein großes Thema war", erinnert sich der Musiker-Schützer.

"Der Verlust der Netzneutralität bedeutet, dass nun die Internetprovider die neuen Gatekeeper werden können. Dass die ISP nun Verlierer und Gewinner bestimmen, ist nicht das Internet, das wir erhofft hatten." Theoretisch könnte noch dieses Jahr das alte Repräsentantenhaus die Wiedereinführung der Netzneutralität beschließen, nachdem der US-Senat bereits zugestimmt hat. Die Chancen dafür sind zwar gering, Erickson hält einen Versuch aber dennoch für sinnvoll.

Größere Chancen rechnet er sich dabei aus, die Abschaffung der Netzneutralität gerichtlich als ungültig feststellen zu lassen. Entsprechende Verfahren laufen. Und dann sind da noch die US-Staaten. Neue Mehrheiten und Gouverneure der Demokraten könnten dazu führen, dass noch mehr Staaten einige Gesetze für Netzneutralität beschließen. Das versucht die nach wie vor Republikanisch dominierte Regulierungsbehörde FCC zwar zu verhindern, doch hält Erickson das für rechtswidrig: "Die FCC hat die Zuständigkeit für diese Regulierung aufgegeben. Damit können sie anderen aber nicht mehr verbieten, das zu regulieren. Ich bin daher relativ zuversichtlich, dass die Staaten-Gesetze vor Gericht halten."