Nach US-Wahlen: Musiker hoffen auf bessere Krankenversicherung und Tantiemen

Seite 2: Handelsbehörde lässt Internetkonzerne unbehelligt

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Wichtig ist der FMC auch die Verantwortung von Plattformbetreibern: "Wir brauchen Schutz vor Youtube, Facebook, Amazon und Co." Sie würden unabhängige Musiker stark benachteiligen. Die könnten sich beispielsweise kaum dagegen wehren, dass ihre Aufnahmen bei Youtube gratis verfügbar sind.

Theoretisch hat Youtube ein System, mit dem bestimmte urheberrechtlich geschützte Aufnahmen automatisch erkannt und blockiert werden können ("Content ID"). Doch sei dieses System für unabhängige Musiker unzugänglich, außer sie erteilen Youtube gleichzeitig eine Lizenz für ihre Aufnahmen. "Wir haben keinen Beweis dafür, weil alles mit Schweigeklauseln abgesichert ist. Aber wir hören, dass das mit beunruhigender Häufigkeit verknüpft wird", so Erickson.

"Es herrscht weite Einigkeit, dass die (Handelsbehörde) FTC zu zaghaft war. Sie haben keine Klage gegen eine große IT-Firma eingebracht seit dem Microsoft-Fall (vor 20 Jahren)", klagt Erickson. Die neue Demokraten-Mehrheit im Repräsentantenhaus könnte nun ihr Aufsichtsrecht wahrnehmen und der FTC Beine machen.

Kevin Erickson, Director der Future of Music Coalition, hat in Maryland gewählt. Er hatte gleich drei doppelseitige Stimmzettel auszufüllen.

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Das gelte aber nicht nur für Marktmachtmissbrauch durch große Online-Plattformen, sondern auch für die zunehmende Marktkonzentration bei Medien, in der Musikindustrie und im Gesundheitsbereich. Derzeit würden Zusammenschlüsse nur bezüglich ihrer Auswirkung für Verbraucher überprüft; die Interessen kleiner Wirtschaftstreibender, wie eben der Musik, blieben unberücksichtigt. Hier hofft der Amerikaner, dass sich die zukünftigen Ausschussvorsitzenden im Repräsentantenhaus, allesamt Demokraten, für neue, umfassendere Fusions-Kriterien stark machen werden.

Gleichzeitig könnte die Demokraten-Mehrheit im Repräsentantenhaus die Kontrolle der Telecom- und Medien-Regulierungsbehörde FCC intensivieren. "Die Radio-Konzerne wollen noch mehr Konzentration. Sie wollen zehn Stationen in den großen Städten betreiben dürfen und beliebig viele in kleineren Märkten", umreißt der Musiker-Vertreter ein Problem. "Das wird gerade in einem FCC-Verfahren angegangen." So eine Marktliberalisierung würde dazu führen, dass die Radioprogramme noch einheitlicher werden, was es weniger bekannten Musikern noch schwerer mache, gehört zu werden.

Bereits abgeschafft hat die Republikanisch dominierte FCC die Verpflichtung, dass Radiosender in ihrer jeweiligen Stadt auch ein Radiostudio unterhalten müssen. Damit falle jeglicher lokale Bezug weg, der aber für die Musikszene wichtig wäre, sorgt sich Erickson: Die Demokraten "werden nicht in der Lage sein, alles Verrückte zu verhindern, was der (Republikanische FCC-Vorsitzende) Ajit Pai tut. Aber wenigstens können sie ihn zwingen, Antworten zu geben." Die damit gewonnene Aufmerksamkeit könne dann zu besseren Gesetzen führen.

Beim Thema Radio drückt die Musiker noch ein ganz anderer Schuh: Terrestrische US-Radiosender können nach wie vor beliebig viel Musik spielen, ohne den ausführenden Musikern auch nur einen Cent zahlen zu müssen. Nur die Inhaber der Rechte an Komposition und Text, meist Musikverlage, werden bezahlt. Satellitenradiosender und Online-Streamer müssen aber sehr wohl die an der übertragenen Aufnahme Beteiligten entschädigen.

Dieses Radio-Privileg trifft die Musiker direkt im Geldbeutel – und das weit über die USA hinaus. Weil ausländische Musiker von US-Radios keine Tantiemen erhalten, revanchieren sich andere Länder und überweisen ihrerseits keine Radiotantiemen für US-Musiker in die USA. "Das wären mindestens 100 Millionen US-Dollar jährlich. Und diese würden direkt an die Musiker gehen, die Plattenlabel schnitten da nicht mit", weiß Erickson. Das US-Radioprivileg schadet damit direkt der Handelsbilanz – einem Lieblingsthema von US-Präsident Donald Trump

Dieser Artikel bildet den Abschluss der Serie zur Lage nach den US-Wahlen. heise online traf dazu in der US-Hauptstadt Washington, DC, Experten mit unterschiedlichen Einstellungen und Arbeitsgebieten. Bisher sind erschienen:

Sehen Sie dazu auch die #heiseshow vom 8. November 2018:


(ds)