Stabiler Kern

Fahrbericht: Mercedes GLE 450 4Matic

Mercedes stellt einen komplett neuen GLE vor, der sich im Kern treu bleibt. Für einen dramatischen Wandel gab es auch keinen Grund, denn die Verkaufszahlen waren prima. Umsteiger müssen sich allerdings mit einem neuen Cockpit anfreunden. Ein erster Fahrbericht

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Mercedes GLE 13 Bilder

(Bild: Mercedes)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Jürgen Wolff
Inhaltsverzeichnis

Der Mercedes GLE dürfte ziemlich exakt das verkörpern, was Gegner der Bauart SUV stets vorwerfen: Es ist ein enorm großes und schweres Auto, dass hierzulande sicherlich von vielen begehrt, aber nur wenig gekauft wird, oder? Über ersteres lässt sich trefflich philosophieren, über letzteres kaum: Immerhin 12.686 GLE konnte Mercedes 2017 in Deutschland absetzen, wobei die Quote der privaten Zulassungen bei etwas mehr als 20 Prozent lag – erstaunliche Zahlen angesichts wahrlich stolzer Preise. Der Neue wirkt vor allem innen viel moderner, bleibt aber seiner bisherigen Ausrichtung treu. Erste Fahreindrücke mit dem Mercedes GLE 450.

Gegenbewegung

Der bisherige GLE war auf einem Niveau angesiedelt, was dramatische Fortschritte beim Thema Komfort unwahrscheinlich erscheinen ließ. Das bestätigt sich unterwegs: Auch der neue GLE ist ein vorzüglich gefedert und exzellent gedämmtes Auto, was prädestiniert ist für lange Strecken – ganz so, wie es zuvor schon war. Die Unterschiede zum bisherigen Modell sind gering und fallen vermutlich in erster Linie dann auf, wenn man direkt umsteigt. Mercedes schwärmt von einem neu entwickelten Fahrwerk, das nicht nur Wank-, sondern auch Nick- und Hubbewegungen entgegenwirken soll. Erfolgreich, das Fahrwerk dürfte zum besten gehören, was man in dieser Klasse unter Komfortgesichtspunkten kaufen kann. Gegen Aufpreis gibt es einen Scanner, der Fahrbahnunebenheiten im Voraus erfasst und Federung und Dämpfung darauf vorbereitet. Die Dämmung soll besser sein als bisher. Fortschritte in diesem Bereich sind mir besonders willkommen, hier ist er allerdings klein. Der alte GLE war ein sehr leises Auto, der Neue ist es ebenso.

Der Testwagen wurde vom Reihensechszylinder-Benziner angetrieben. Drei Liter Hubraum, 367 PS und 500 Nm reichen, um den leer 2220 Kilogramm schweren Brocken sehr nachdrücklich zu beschleunigen. Über eine Boost-Funktion sind weitere 22 PS und 250 Nm abrufbar – nötig scheint das kaum. Erst bei 250 km/h ist Schluss, nach 5,7 Sekunden aus dem Stand Tempo 100 erreicht – das sollte eigentlich auch anspruchsvolle Kunden zufriedenstellen. Nichtsdestotrotz wird Mercedes selbstverständlich noch nachlegen, denn erstens lebt es die Konkurrenz vor, zweitens hat die Erkenntnis, dass genug besser als zu viel ist, in dieser Klasse keine Chance auf eine Mehrheit. Ein Ende des Wettrüstens ist so wahrscheinlich wie die Priorisierung von Umweltschutz in Amerika unter der aktuellen Administration.

Harmonisches Zusammenspiel

Beeindruckend ist weniger das üppige Leistungsangebot, von dem sich im normalerweise recht dichten Gedränge deutscher Straßen ohnehin nur selten Gebrauch machen lässt, sondern vielmehr das geschmeidige Zusammenspiel von Motor und Getriebe. Es lässt sich kaum eine Situation provozieren, in der die Neungang-Wandlerautomatik nicht augenblicklich die passende Übersetzung parat hat. Wir haben derzeit einen Volvo V60 D3 in der Redaktion, der im Vergleich dazu in dieser Hinsicht regelrecht unbeholfen wirkt.

Ein Partikelfilter ist serienmäßig, ohne ihn wäre die Abgasnorm Euro 6d-Temp im Normalfall auch nicht zu knacken. Im WLTP verspricht Mercedes 8,3 Liter. Für die Einordnung, wie wahrscheinlich das ist, hilft vielleicht ein Blick auf den Mercedes GLC 250 (Test), den wir vor zwei Jahren in der Redaktion hatten: Das kleinere, leichtere und deutlich schwächer motorisierte Modell lag bei bedachter Fahrweise bei rund 8 Litern, bei normaler bis zügiger Fahrweise locker oberhalb von 10. Schwer vorstellbar also, dass sich der neue GLE 450 im Alltag mit wesentlich weniger als 10 Liter abspeisen lässt. Die Zielgruppe wird sich daran vermutlich kaum stören, sondern diese Werte schon vor dem Kauf gedanklich einkalkuliert haben.

Als einzige Alternative zum Benziner gibt es derzeit einen Zweiliter-Vierzylinder-Diesel mit 245 PS. Der braucht anderthalb Sekunden länger auf Tempo 100, erreicht 225 km/h und ist im WLTP mit 6,1 Litern angegeben. Weitere Motoren, darunter mit hoher Wahrscheinlichkeit auch ein Plug-in-Hybrid, werden 2019 folgen.