Kalendertürchen

Henry Ford - Die Magie des weißen Mannes

In einem Anfall von Hybris entwickelte Henry Ford die Utopie „Fordlandia“. Die Retortenstadt im brasilianischen Dschungel sollte günstig Kautschuk liefern. Doch der Plan ging schief und wurde zu einem finanziellen Desaster für Ford

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Ford 3 Bilder

(Bild: Ford)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Bernd Kirchhahn
Inhaltsverzeichnis

Die Hevea brasiliensis war das letzte Puzzlestück, das Henry Ford fehlte, um seinen Konzern endgültig von der Welt abzunabeln. Eine Kautschukpflanze. Denn Ford verfolgte den Plan, sein Unternehmen unabhängig von Politik, Zulieferern und Krisen zu machen. Jeder einzelne Rohstoff, den er brauchte, um Autos zu fertigen, wurde vom Konzern selbst angebaut und veredelt. Deswegen wurden Wälder bewirtschaftet, um Holz zu produzieren und Rinder gezüchtet, um an Leder zu kommen. Nur Kautschuk, der fehlte noch – vor allem für Reifen und Scheibenwischer.

Das Problem war, dass diese Pflanzen nur unter sehr schwierigen Bedingungen wuchsen. Die ideale Pflanze, so fand in den 1920er-Jahren Ernest Leibold, ein Ford-Vertrauter heraus, findet sich im Amazonas in Brasilien. Denn dort wächst die Hevea brasiliensis und wird bis zu 30 Meter hoch.

„Magie des weißen Mannes“

Ford entschied, dass sein Konzern im brasilianischen Nirgendwo Kautschuk anbauen würde. Dafür sollte die Retortenstadt „Fordlandia“ errichtet werden. Natürlich am Fluss, denn die Ernte hätte per Schiff nach Sao Paulo gebracht werden sollen. Also erwarb Willis Blakeley, ein Unterhändler von Ford, 10.000 Quadratkilometer Regenwald am Rio Tapajos. Er hätte „die Magie des weißen Mannes zu den Wilden“ bringen sollen, wie Henry Ford es in einem Interview formulierte.

Seine Aufgabe war es, eine Anbaufläche anzulegen und alles zu errichten, was es braucht, um die Arbeiter im Dschungel unterzubringen. Also wurde erst einmal gerodet. Allerdings während der Regenzeit, weswegen derart viel Kerosin auf dem Waldboden verteilt werden musste, dass dort erst einmal gar nichts mehr wuchs. Dazu kamen Arbeiteraufstände. Denn unter anderem hatte Blakeley vergessen, die Baracken mit Toiletten und Fenstern auszustatten.

„Jesus Christus der Industrie“

Doch ein Zurück gab es für Henry Ford nicht mehr. Denn das Projekt hatte längst politische Dimensionen angenommen. Ein armes Land hätte „mit Wohlstand und Technik erlöst“ werden sollen. Ein zivilisatorisches Experiment sollte es werden, an dessen Ende der gesamte Dschungel industrialisiert sein sollte. In Brasilien nannten ihn Reporter den „Jesus Christus der Industrie“, in den USA wetterten rechte Zeitungen gegen Henry Ford, weil er im Ausland investierte.

Vor Ort eskalierte die Situation. Die Arbeiter rebellierten. Gegen das US-Essen, die US-Arbeitszeiten, die schlechten Arbeitsbedingungen. Mit Macheten gingen sie auf die Vorarbeiter los und zertrümmerten die Fabrikhalle. Das brasilianische Militär musste den Aufstand niederschlagen.