Upload-Filter: UN-Beauftragte haben schwere Bedenken gegen europäische Anti-Terror-Initiative

Drei UN-Sonderberichterstatter warnen angesichts der EU-Pläne zum Löschen terroristischer Online-Inhalte vor einer automatisierten Vorzensur und "Over-Blocking"

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Justiz soll verschlüsselte Terror-Kommunikation auswerten können
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Massive Korrekturen an der EU-Initiative gegen die "Verbreitung terroristischer Online-Inhalte" halten Experten der Vereinten Nationen für nötig. In einer gemeinsamen Stellungnahme begrüßen der Sonderberichterstatter für Meinungsfreiheit, David Kaye, der Sonderberichterstatter für das Recht auf Privatheit, Joseph Cannataci, und der Sonderberichterstatter für den Grundrechtsschutz im Anti-Terror-Kampf, Fionnuala Ní Aoláin, zwar das Ziel der geplanten Verordnung prinzipiell. Man wolle die EU-Gremien aber noch dabei unterstützen, im Rahmen des Vorhabens "die Menschenrechte vollständig zu respektieren".

Auf 13 Seiten bringen die UN-Beauftragten schwerwiegende "allgemeine Einwände" gegen den Entwurf vor, auf dessen Basis Provider beispielsweise Terrorpropaganda binnen einer Stunde löschen müssten. Die dafür vorgesehenen "proaktiven Maßnahmen" dürften zu "generellen Verpflichtung führen, Inhalte im Widerspruch zu Artikel 15 der E-Commerce-Richtlinie" und den darin enthaltenen Haftungsprivilegien für Internetanbieter zu sperren, heißt es in dem Schreiben. Dies wäre auch unvereinbar mit einschlägigen Empfehlungen des Europarates.

Die Verweise auf die Grundrechte in dem Text und vor allem in der Klausel für "Upload-Filter" stellten reine Lippenbekenntnisse dar, beklagen die internationalen Rechtsexperten. Die vorgesehene Haftungsregel untermauere die große Gefahr einer Vorzensur. Die für automatische Entscheidungsprozesse eingesetzten Algorithmen könnten den Kontext nicht angemessen verstehen und seien unzuverlässig sowie anfällig für Vorurteile. Angesichts des Volumens auf größere Online-Plattformen hochgeladener Inhalte seien "Hunderttausende falscher Entscheidungen" zu erwarten, was zu übers Ziel hinaus schießenden oder nicht weit genug reichenden Kontrollen führe.

Die Berichterstatter sind auch besorgt, dass der ursprüngliche, mittlerweile vom Ministerrat im Kern unterstützte Vorschlag der EU-Kommission die menschenrechtlichen Verantwortlichkeiten der Provider nicht ausreichend berücksichtige. Dies wirke sich besonders gravierend aus, da diese in dem Kontext quasi-staatliche Hilfssherifftätigkeiten übernehmen sollten. Das Sperren oder Löschen von Inhalten erfordere generell Anordnungen unabhängiger Institutionen, etwa von Gerichten. Zudem sei beim Sammeln personenbezogener Informationen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) einzuhalten.

Auch die "zu breite Definition terroristischer Inhalte" stößt den Juristen übel auf, da damit legitime Meinungsäußerungen behindert werden könnten. Das skizzierte Instrumentarium laufe Gefahr, gegen das Recht auf freien Zugang zu Informationen oder gegen die Versammlungsfreiheit und damit verknüpfte demokratische Prozesse zu verstoßen. So könnten etwa schon "öffentliche Provokationen" unter die Verordnung fallen. Auch die "Glorifizierung" terroristischer Handlungen bleibe zu vage und werde nicht an konkrete Bedrohungen geknüpft. Damit dürfte auch die Arbeit etwa von Forschern oder Journalisten erschwert werden.

In einem anderen Artikel hat die Kommission den Beauftragten zufolge nicht einmal mehr das Element der Absicht, einen Terrorakt zu begehen, als notwendig angesehen, um eine massive Sanktionsmaschinerie in Gang zu setzen. Die kurzen Reaktionszeiten täten ihr Übriges, um Grundrechte auszuhebeln. Ein Schutz der Meinungsfreiheit "in Echtzeit" sei kaum möglich; Hosting-Firmen könnten Löschersuchen so nicht ausreichend prüfen. Insgesamt sei ein aus Sicht des Grundrechtsschutzes ein "schwerwiegender und enttäuschender" Regulierungsansatz in der Mache. Zuvor hatten auch Bürgerrechtsorganisationen vor massiven Auswirkungen auf die Meinungs- und Informationsfreiheit und einer auf die Firmen "ausgelagerten" Zensur gewarnt. (jk)