Es wird eng

Lastenräder und Elektroroller drängen auf ohnehin schon unterdimensionierte Radwege. 2019 wird der Kampf um jeden Meter beginnen.

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Drei Achsen, zwei Kubikmeter Ladevolumen, 500 Kilogramm Gesamtgewicht – mit einem Fahrrad hat das schwedische Lastenrad Velove Armadillo hat kaum noch etwas zu tun. Andere Anbieter wie Gazelle, Rytle oder Citkar haben ähnliche Kaliber im Programm. Trotz ihrer Ausmaße haben sie allerdings meist nur einen schwachbrüstigen 250-Watt-Motor an Bord, der die Tretkraft bis 25 km/h unterstützt. Rechtlich gelten sie damit als normale Fahrräder. Das bedeutet: keine Zulassung, keine Versicherung, kein Führerschein, keine Helmpflicht. Vor allem aber dürfen beziehungsweise müssen sie auf Radwegen fahren – und damit am Stau vorbei.

8 bis 23 Prozent aller Fahrten von Lieferwagen bis 3,5 Tonnen lassen sich durch Lastenräder erledigen, hat das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) 2016 in einer Studie für das Bundesverkehrsministerium errechnet. Kein Wunder, dass praktisch alle großen Paketdienste solche Lastenpedelecs einsetzen.

Für die Luft in den Städten ist das zweifellos ein Gewinn. Auch Autofahrer werden sich freuen, wenn ihnen seltener Lieferwagen den Weg versperren. Allerdings geht das einseitig auf Kosten der Fahrradfahrer – zumal sie sich die Radwege demnächst auch noch mit elektrischen Tretrollern teilen müssen. Im Frühjahr will das Bundesverkehrsministerium solche „Elektrokleinstfahrzeuge“ für den Straßenverkehr zulassen. Auch für diese gilt eine Radwegebenutzungspflicht.

Die ohnehin unterdimensionierten Radwege, meist flankiert von Fußgängern auf der einen Seite und parkenden Autos auf der anderen, werden also zum Sammelbecken für unterschiedlichste Verkehrsteilnehmer, die kaum mehr gemein haben als die Tatsache, dass das Bundesautoverkehrsministerium sie nicht auf der Fahrbahn haben will: Familien mit Kindern, Senioren mit Pedelecs, E-Tretroller, Essenslieferanten, Kuriere, Alltagsradler mit und ohne Anhänger, Lastenräder mit zwei bis sechs Rädern.

Sie alle brauchen Platz zum Überholen und Parken. Dafür reiche das „in den Empfehlungen für Radverkehrsanlagen festgelegte Regelmaß von zwei Metern Breite“ nicht aus, heißt es in der DLR-Studie. Die Autoren fordern deshalb vom Bund, bei den Vorgaben zur Radweggestaltung die Anforderungen von Lastenrädern stärker zu berücksichtigen. Bisher geschehe dies „erst ansatzweise“.

Der Platz in den Städten wäre grundsätzlich ja vorhanden, er wird allerdings überwiegend von Autos okkupiert. Dabei gehen Räder und Roller sehr viel effizienter mit dieser knappen Ressource um. Davon profitieren letztlich auch die Autofahrer. Also ist es nur recht und billig, Flächen umzuwidmen.

Eine kurzfristig wirksame Lösung wäre es, die Radwegebenutzungspflicht aufzuheben. Eine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung sieht bereits vor, mehrspurige Lastenräder auf der Fahrbahn zu tolerieren, wenn die Benutzung des Radwegs „unzumutbar“ sei. Die Autoren der DLR-Studie empfehlen dem Bund, „diese Möglichkeit auch für einspurige Lastenräder zu prüfen“.

Das Bundesautoverkehrsministerium lässt sich von der selbst in Auftrag gegebenen Studie nicht beeindrucken. „Eine Änderung der Radwegebenutzungspflicht ist nicht geplant“, schreibt es auf Anfrage. „Die Straßenverkehrsbehörden können jedoch in bestimmten Einzelfällen oder allgemein für bestimmte Antragsteller Ausnahmen von der Radwegebenutzungspflicht genehmigen.“

Ausnahmen in Einzelfällen – das klingt nach einem tollen Plan für eine Verkehrswende.

(grh)