Fahrprüfung nicht bestanden

Nach vielen Ankündigungen sollten längst autonome Autos von mehreren Herstellern über unsere Straßen rollen. Stattdessen war 2018 von Enttäuschungen und Unfällen geprägt.

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Fahrprüfung nicht bestanden

(Bild: Photo by Gareth Harrison on Unsplash)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Clemens Gleich

Bevor es richtig scheußlich wird, endet das von der Polizei veröffentlichte Video: Aus der Fahrerperspektive zeigt es, wie ein Auto im Dunkeln zunächst problemlos über eine freie Straße fährt. Dann plötzlich wird eine Person erkennbar, die ihr Fahrrad quer über die Straße schiebt. Das Auto fährt ungebremst weiter, das Video stoppt, als die Person mit Fahrrad unmittelbar vor seiner Motorhaube ist. Man kann sich lebhaft vorstellen, was auf den nächsten Bildern zu sehen wäre.

Dieses Unglück ereignete sich im März 2018 im US-Bundesstaat Arizona. Für weltweite Schlagzeilen sorgte es, weil der Volvo XC90, der die Fußgängerin überrollte, ein autonomes Testauto war, betrieben von Uber. Die Fahrerin, die zur Sicherheit mit im Cockpit saß, war von ihrem Mobiltelefon abgelenkt, und die aufwendige Sensorik im Uber-Volvo reichte nicht aus, um das Opfer klar zu erkennen und rechtzeitig zu bremsen.

Dies war der tragischste Fall, aber er zeigte jedem, wie sehr selbst Teile der Ingenieurszunft den Fortschritt überschätzt hatten. "Mein ältester Sohn ist jetzt elf. Das heißt, dass er in viereinhalb Jahren seinen Führerschein machen kann. Mein Team arbeitet hart daran, dass das nicht passiert", sagte Chris Urmson (damals für Google tätig) im Jahr 2015. Audi wollte schon 2017 Serienautos bauen, die Autobahnabschnitte allein fahren. Doch der dafür vorgesehene A8 kann das immer noch nicht. Ähnlich funktioniert Cadillacs "Super Cruise" zwar auf einigen ausgewählten US-Autobahnen, für die es hochaufgelöste Karten gibt. Aber wenn das Auto feststellt, dass der Fahrer seine Augen nicht auf der Straße hat, hält es irgendwann an.

Tesla-Chef Elon Musk wiederum, der schon 2017 Autos vollautonom von US-Küste zu US-Küste fahren lassen wollte, hat dieses Vorhaben im August erneut verschoben. Und der Autonomobil-Vorreiter Waymo betreibt ein Zentrum, von dem aus professionelle Fahrer seine teilautomatisch fahrenden Vans fernbedienen, wenn sich die Steuerung unsicher wird. Das konnte allerdings nicht verhindern, dass im Juni einer der zur Sicherheit im Auto sitzenden menschlichen Fahrer einschlief, dabei auf das Gaspedal kam und gegen eine Leitplanke fuhr.

Aber woher kam überhaupt die Masse an mutigen Ankündigungen zum autonomen Fahren in den Jahren zuvor? Wahrscheinlich hing der Enthusiasmus mit der Renaissance künstlicher neuronaler Netze zusammen. In der Bilderkennung hat sich diese Technik spätestens 2012 als Standard durchgesetzt, weil keine andere Methode ihr mehr das Wasser reichen kann.

Insofern ist verständlich, dass die technische Avantgarde dachte, mit den Mustererkennungsfähigkeiten neuronaler Netze ließen sich in anderen Kernbereichen des autonomen Fahrens Durchbrüche erreichen. Spielzeugautos (oder simulierte Fahrzeuge) etwa lernen in simplen Feed-Forward-Netzwerken über einen genetischen Algorithmus mittlerweile recht schnell, einen Parcours zu fahren, den sie mithilfe von Entfernungsmessern abtasten. Die kleinen neuronalen Netze verallgemeinern die Aufgabe so weit, dass sie auch neue Strecken meistern, solange dort keine fundamental anderen Probleme auftreten. Die Leistungen solcher Netze in Teilbereichen sind beeindruckend.

Doch die Komplexität der gesamten Aufgabe, ein Auto sicher durch beliebige Situationen zu steuern, lässt sich nicht sinnvoll in ihnen abbilden, auch wenn sie sehr groß angelegt sind.

Wenn ein Autonomobil also entscheiden soll, wie es über eine belebte Kreuzung fährt, dann verlässt es sich auf Mixturen bekannter Software-Techniken, von denen sich bisher keine als allein überlegen gezeigt hat. Zustandsautomaten, Kostenberechnungen, Pfadplanungsalgorithmen, Freiflächenerkennung mit neuronalen Netzen: Das alles kombinieren Entwickler miteinander, um zu ihren jeweils eigenen Lösungen zu kommen.

Aber das dauert eben. "Beim Thema Motion Planning für autonome Autos hat es noch keinen echten Durchbruch gegeben", sagt David Silver, der früher für Ford auto- nome Fahrzeuge entwickelt hat und heute bei der Online-Universität Udacity Kurse zu diesem Thema leitet. Wahrscheinlich müssen wir also noch viel lernen über die Entscheidungsprozesse im natürlichen neuronalen Netz von menschlichen Autofahrern.

(bsc)