Kfz-Kennzeichen-Scanning teilweise verfassungswidrig

Die Kennzeichenerfassung greift in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein – in drei Ländern nur teilweise gerechtfertigt.

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Kfz-Kennzeichen-Scanning teilweise verfassungswidrig
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Das automatische Scannen von Kfz-Kennzeichen ist teilweise verfassungswidrig. Die in Bayern, Baden-Württemberg und Hessen übliche Praxis solcher Kontrollen verstoße gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, erklärte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe mit zwei am Dienstag veröffentlichten Beschlüssen.

"In solchen Kontrollen liegen Grundrechtseingriffe gegenüber allen Personen vor, deren Kraftfahrzeugkennzeichen erfasst und abgeglichen werden, unabhängig davon, ob die Kontrolle zu einem Treffer führt", teilt das Bundesverfassungsgericht zu den Vorschriften in Bayern mit. Diese Eingriffe seien nur teilweise gerechtfertigt.

Für die Kennzeichenkontrollen müsse es einen hinreichend gewichtigen Anlass geben, damit der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt wird. Dem genügen die Vorschriften in Bayern nicht, da die Kontrollen nicht darauf beschränkt seien, Rechtsgüter von erheblichem Gewicht zu schützen.

Die Regelungen in Baden-Württemberg und Hessen genügten ebenfalls nicht in jeder Hinsicht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, heißt es in einer weiteren Mitteilung des Bundesverfassungsgerichts. In beiden Ländern würden Kennzeichenkontrollen nicht umfassend auf den Schutz von Rechtsgütern von erheblichem Gewicht begrenzt und Kennzeichenkontrollen als Mittel der Schleierfahndung ohne eine ausreichend klare grenzbezogene Beschränkung erlaubt.

Soweit Baden-Württemberg automatisierte Kennzeichenkontrollen erlaubt, um polizeiliche Kontrollstellen und Kontrollbereiche zu unterstützen, mit denen nach Straftätern gefahndet wird, fehle es dem Land schon zur Einrichtung dieser Kontrollstellen an der Gesetzgebungskompetenz. Also sei auch die Kennzeichenkontrolle formell verfassungswidrig.

Aus ebenfalls formellen Gründen seien auch die hessischen Regelungen zum Kfz-Scanning an polizeilichen Kontrollstellen, die zur Verhütung versammlungsrechtlicher Straftaten eingerichtet sind, und auch die Regelung zur Einrichtung dieser Kontrollstellen selbst verfassungswidrig.

Die Vorschriften zum Abgleich der erfassten Kennzeichen müssten in allen drei betroffenen Ländern verfassungskonform einschränkend so ausgelegt werden, dass jeweils nur die Fahndungsbestände zum Abgleich herangezogen werden dürfen, die zur Abwehr der Gefahr geeignet sind, die Anlass der jeweiligen Kennzeichenkontrolle ist.

Das Gericht hat die verfassungswidrigen Vorschriften größtenteils übergangsweise für weiter anwendbar erklärt, und zwar bis zum 31. Dezember 2019.

Update 5.2.2019, 11.34 Uhr: Der bayerische Informatiker Benjamin Erhart, der vor vier Jahren gegen das bayerische Kennzeichen-Scanning Beschwerde eingelegt hatte, meinte: "Wenn das Bundesverfassungsgericht beinahe schon regelmäßig Gesetze kippen muss, weil sie nicht verfassungsgemäß sind, bedeutet dass, unsere Politiker machen ihre Arbeit nicht so gut, wie sie sein müsste. Statt Populismus wäre mehr Nachdenken angebracht. Statt nutzlosem Sicherheitstheater, das Geld in die Kassen einiger weniger IT-Firmen spült, sollte das Geld lieber in gute Ausbildung, Ausstattung und ausreichend Personal bei den Sicherheitsbehörden gesteckt werden." (anw)