Klartext: Zero Tolerance
Ein Elektrofahrzeug zu bauen, das ist etwas einfacher, als ein Verbrennerfahrzeug zu bauen. So die wahrscheinlich richtige SchÀtzung. Dennoch ist es nicht komplett einfach geworden, ein gutes Fahrzeug zu bauen. Wir beleuchten dazu einige elektrische Kraftrad-Neulinge
Eben erst schoss ich einen Text ĂŒber die grundsĂ€tzlich unverĂ€nderte Problematik des elektrischen Motorrad-Roadsters heraus, da erscheint das bis dato interessanteste Exemplar, die Zero SR/F. Gleichzeitig sehen wir mit der NXT Rage ein interessantes Crowdfunding-Experiment, und in Amerika soll demnĂ€chst nicht nur ein Konkurrent des elektrischen Superbikes Energica Ego verkauft werden, sondern der Hersteller Lightning will mit den âStrikeâ-Modellen auch kleinere MotorrĂ€der ins Sortiment aufnehmen. Es wird also Alternativen zu Harley und Energica geben. Sie werden aber nicht alle gleich gut sein. Ihre GĂŒte hĂ€ngt an der Liebe zu Details und nötigen ZugestĂ€ndnissen an die Physik.
Mehr Masse?
WĂ€hrend kleine Elektro-ZweirĂ€der aufgrund ihrer Einsatzgebiete recht einfach passende Nischen finden, kĂ€mpft der elektrische Roadster seit jeher mit der Physik der Batterien: Sie enthalten wenig Energie pro Masseeinheit, was nach Adam Riese nur die Möglichkeit offen lĂ€sst, mehr Masse einzubauen. Beim Auto nicht so schlimm. Beim Motorrad schon. Wenn das etwas weiter fahren können soll, wird es schwer. Eine Energica Eva wiegt 280 kg und hat einen RĂŒckwĂ€rtsgang, den sie braucht. Harleys Livewire wird wohl leichter werden, aber das durch eine entsprechend kleinere Batterie erreichen, also weniger weit fahren.
Klartext: Zero Tolerance (6 Bilder)

(Bild: Zero)
Zero ging bisher den Weg, sehr klein dimensionierte Chassisâ zu bauen, in etwa in den Dimensionen von 250-ccm-Benzinern. Damit erreichten sie geringere Massen, aber die enormen Drehmomente der Elektromotoren schreien förmlich nach Segment-ĂŒblichen RĂ€derdimensionen und einem Chassis wie andere krĂ€ftige Naked Bikes. Die neu vorgestellte Zero SR/F bietet das endlich alles.
TeiletrÀger
Die Vorderachse hĂ€ngt in Showas einstellbarer Upside-Down-Telegabel âBig Piston Forkâ (BPF) mit 43 mm Standrohrdurchmesser. Ich mag die BPF, die funktionieren top. In eine Doppelscheiben-Bremsanlage beiĂen SĂ€ttel von J-Juan. Dieser spanische Hersteller ist auĂerhalb des Rennsports nicht besonders bekannt, aber nach unseren Erfahrungen mit der J-Juan-Bremsanlage der KTM 790 Duke kann ich die Wahl verstehen: preiswert, weil keiner den Namen kannt, aber trotzdem leistungsfĂ€hig.
Elektroautos mit enormen Bremsleistungen ihrer elektrischen Bremse kommen mit geringer dimensionierten hydraulischen Bremsen aus. FĂŒr MotorrĂ€der gilt das nicht, weil dort im Sportbetrieb bis zu 100 Prozent der Bremsleistung ĂŒber das Vorderrad lĂ€uft, der Antrieb (und damit die elektrische Bremse) jedoch am Hinterrad (in extremo in der Luft) hĂ€ngt. Ebenso wie bei der 790 Duke kombiniert Zero diese Bremse mit Boschs MSC-Bremshilfe.
Der BatterietrĂ€ger hĂ€ngt in einem recht einfach aufgebauten Stahl-Gitterrohrrahmen. Koaxial zum Schwingendrehpunkt liegt der E-Motor mit 82 kW. Die Bauweise eliminiert FahrwerkseinflĂŒsse der Schwingenbewegung auf den Zahnriemen. Zero verwendet entweder ein Planetengetriebe oder lĂ€sst den Motor direkt auf den vorderen Pulley los. Der Zahnriemenantrieb wĂ€re somit die einzige Untersetzung.
Letztere Variante erscheint mir wahrscheinlich, weil Zero a) den Motor mit einer Nennleistung bei nur 5000 U/min angibt (die meisten drehen doppelt so hoch) und b) weil das Motorrad trotz seiner endlich erwachsenen GröĂe so leicht ist, dass sie sich das Gewicht eines Getriebes wohl gespart haben. Die SR/F soll 226 kg wiegen, trotz 12,6 kWh verfĂŒgbarer Batterie. Das liegt im fĂŒr Benziner-Bigbikes ĂŒblichen Bereich. DafĂŒr will Zero in den USA 19.000 Dollar fĂŒr eine Standard-Version und 21.000 fĂŒr eine âPremiumâ-Version, die doppelt so schnell lĂ€dt.
Halb so langsam
Leider heiĂt âdoppelt so schnellâ: 6 kW AC. DC-Schnellladung gibt es bei Zero also auch kĂŒnftig nicht, was ich als den einzigen groĂen Mangel des Konzepts empfinde. Aber irgendwo mĂŒssen Gewicht und Preis ja herkommen. Zum Vergleich: US-Konkurrent Harley-Davidson schreibt 33.000 Euro fĂŒr die elektrische Livewire auf das EU-Preisschild.