Upload-Filter und Artikel 13: Wirbel um irreführendes Video des EU-Parlaments

"Deine Memes sind sicher", behauptet das EU-Parlament in einem Video zur angeblich schon beschlossenen Urheberrechtsreform. Kritiker sprechen von Propaganda.

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Upload-Filter und Artikel 13: Irreführendes Video des EU-Parlaments sorgt für Wirbel
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Eine Minute und 34 Sekunden gießen Öl auf die bereits erhitzt geführte Debatte über die geplante Copyright-Novelle. So lang ist ein Video, mit dem das EU-Parlament unverhohlen für die Reform wirbt, die noch gar nicht ganz in trockenen Tüchern ist. Auf Twitter erntete das Hohe Haus für den Beitrag, der einseitig sowie teils irreführend und sogar sachlich falsch ist, einen Shitstorm. Viele YouTuber verreißen die Sequenz ebenfalls.

Mit der Ansage "Deine Memes sind sicher", versucht das Parlament in dem Ankündigungstweet sowie in dem Video selbst Kritiker aus der jungen Netzgemeinde eigentlich zu beruhigen. Das bezieht sich laut dem besonders umkämpften Artikel 13 des Richtlinienentwurfs aber nur auf die Bereiche Zitat, Kritik, Rezension, Karikatur, Parodie und Satire sowie Imitation ("Pastiche"). Zudem dürften die mit dem Artikel verknüpften Upload-Filter kaum in der Lage sein, solche Werkformen treffsicher auszumachen und von illegalen Nutzungen zu unterscheiden. Zumindest vorerst könnten sie damit gesperrt werden, bis eventuell ein vorgesehener Beschwerdemechanismus greift.

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Der parlamentarische Berichterstatter Axel Voss (CDU) sagt in dem Video, dass Plattformen mit nutzergenerierten Inhalten gar nicht verpflichtet würden, die gefürchteten Filterprogramme zu installieren. Die Meinungsfreiheit werde gar nicht berührt und es gehe vor allem um eine faire Vergütung der Urheber von Inhalten. Dass viele betroffene Portale praktisch angesichts des sonst drohenden neuen Haftungsregimes gar nicht umhinkommen werden, hochgeladene Werke mithilfe von Algorithmen zu scannen, erwähnt der Christdemokrat nicht.

Dabei hat Voss in einem Interview mit dem Handelsblatt gerade eingeräumt, er könne nicht dafür garantieren, "dass alles nachher technisch einwandfrei funktioniert". Natürlich werde da auch "irgendwann wieder ein Fall dabei sein, wo es gerade nicht ist, wie es sein sollte". Das Parlament sei jedoch nicht dafür zuständig, selbst technische Lösungen zu entwickeln.

Vertan hat sich der Verhandlungsführer in dem 90-Sekünder zudem bei seinem Hinweis auf die Ausnahmen von Artikel 13 für kleine und junge Unternehmen. Plattformen seien außen vor, wenn sie weniger als 10 Millionen Euro Umsatz machen oder weniger als fünf Millionen Besucher pro Monat haben, erklärt Voss. Tatsächlich müssen Startups beide Voraussetzungen gleichzeitig erfüllen und dürfen auch nicht älter als drei Jahre sein.

Gleich zu Beginn ist in dem Video eine Kundgebung von der Organisation "Europe for Creators" zu sehen, die seit Langem für Artikel 13 trommelt. Dahinter steht der Dachverband europäischer Verwertungsgesellschaften GESAC mit seinen Mitgliedern wie der GEMA. Die extra für die Lobbyschlacht rund um die Novelle gegründete Allianz sandte voriges Jahr neben Warnungen vor akuten Angriffen auf die Kultur auch eine Postkarte mit Kondom und der Aufschrift an Abgeordnetenbüros, dass man neben "Tech-Giganten" Schutzvorkehrungen liebe.

Der Beitrag findet sich mittlerweile auch auf der Nachrichtenseite des Hauses der Volksvertreter mit dem Anreißer: "Parlament beschließt Urheberrecht im Internet." Bisher hat die von den Verhandlungsführern der EU-Gremien hinter verschlossenen Türen ausgeheckte Übereinkunft aber nur der federführende Rechtsausschuss befürwortet. Die entscheidende Abstimmung im Plenum steht noch aus.

Die zahlreichen Kritiker von Upload-Filtern kommen in dem Stück überhaupt nicht zu Wort, machen nun aber nachträglich ihrerseits massiv gegen das Video Stimmung. Die Piratenpartei etwa unterstellte der Abgeordnetenkammer rasch ein "interessantes Demokratieverständnis": "Wir sind jetzt doch ein wenig irritiert. Abstimmungsempfehlungen bei einem Gesetzentwurf durch einen Funktionsaccount des Parlaments, der neutral berichten soll?"

"Das Parlament sollte in seiner Kommunikation Neutralität wahren, bis die Entscheidung über die Urheberrechtsreform getroffen ist", ergänzt die Piratin Julia Reda, die als Schattenberichterstatterin der Grünen die Verhandlungen begleitete. Der Beitrag enthalte "problematische Aspekte". Sie habe einen Antrag gestellt, um alle Dokumente einzusehen, "die zur Veröffentlichung dieses Videos geführt haben".

Der EU-Abgeordnete Tiemo Wölken (SPD) spricht von einem "faktisch inkorrekten Video". Er habe sich daher beim Parlamentspräsidenten beschwert und hoffe auf Aufklärung und Korrektur. Das Pressereferat dürfte keine Lügen verbreiten, sodass der Beitrag heruntergenommen werden sollte. Mittlerweile hat der Sozialdemokrat eine Antwort auf seine Beschwerde über das "Videogate" bekommen, in der aber hauptsächlich nur erklärt wird, dass der Einsatz von Upload-Filtern völlig von den Plattformen abhänge.

Parallel hat die Gesellschaft für Informatik an die Volksvertreter appelliert, die skizzierte Reform in der vorliegenden Form abzulehnen. Es sei zwar richtig und wichtig, das Urheberrecht an das digitale Zeitalter anzupassen, begründet der Verein seine Haltung. "Die hier vorgeschlagene automatisierte Prüfung auf Urheberrechtsverletzungen legt jedoch den technischen Grundstein für eine Zensur- und Kontrollinfrastruktur im Internet. Zugleich wird sie Urheberrechtsverletzungen und kriminelle Inhalte nicht wirkungsvoll verhindern können." (mho)