MWC

5G in Europa: "Wir hängen hinterher"

Auf dem MWC dreht sich alles um 5G. Während andere Länder schon mit Vollgas in die Mobilfunkzukunft starten, hakt es in Europa noch – auch in Deutschland.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 66 Kommentare lesen
5G in Europa: "Wir hängen hinterher"

(Bild: heise online/vbr)

Lesezeit: 8 Min.
Inhaltsverzeichnis

"5G ist eine Revolution", sagt IDC-Analyst Mike Cansfield, "und sie passiert jetzt." Nur eben nicht hier, in Deutschland, sondern in den USA und in Teilen Asiens. Dort rollen Netzbetreiber bereits 5G-Technik aus und wollen noch in diesem Jahr ihren Kunden 5G-Dienste anbieten. Es scheint, als beweise sich einmal mehr das alte Sprichwort über Deutsche und Revolutionen: Wir stehen noch am Automaten und ziehen unsere Bahnsteigkarte.

Immerhin: Auch andere EU-Mitglieder bummeln noch bei der Frequenzvergabe, viele sind noch nicht einmal so weit wie Deutschland. "Europas Problem ist die Harmonisierung", meint Afke Schaart, Europachefin des Netzbetreiberverbands GSMA, auf dem MWC in Barcelona. Erst ein kleiner Teil des für 5G vorgesehenen Spektrums wurde von den EU-Mitgliedsstaaten bereits zugewiesen, in einigen Ländern sitzen auf den Frequenzen noch andere Nutzer.

"Wir hängen hinterher und müssen uns beeilen", sagt Jane Rygaard, Marketingchefin des Netzausrüsters Nokia. "Wenn wir 5G zum Laufen bringen wollen, brauchen wir Spektrum. Kein Netzbetreiber kann irgendwo irgendetwas anfangen, wenn das Spektrum nicht bereitsteht." Deutschland steht in Europa noch vergleichsweise gut da, meint Rygaard: "In Deutschland werden jetzt immerhin ein paar Frequenzen versteigert, allerdings nicht im 26-GHz-Band."

(Bild: 5G Observatory)

Die Zuteilung der Frequenzen ist das eine, damit verknüpfte Kosten und Bedingungen das andere. "In Europa wird der Fortschritt durch hohe Kosten und ungewisse Laufzeiten der Frequenzen sowie harte Regulierung behindert", meint Börje Ekholm, CEO des Netzausrüsters Ericsson. Auch in Deutschland fürchten die Netzbetreiber eine teure Frequenzauktion, die Geld kostet, das dann nicht in den Netzausbau gesteckt werden kann. Markus Haas, CEO von Telefónica Deutschland, fürchtet, dass "unsere finanziellen Mittel nur beim Staat landen und nicht da, wo sie eigentlich landen sollen: im Netz".

Die Netzbetreiber hierzulande stören sich insbesondere an den Auflagen für die Nutzung der 5G-Frequenzen. Die Bundesnetzagentur gibt den 5G-Lizenznehmern unter anderem vor, bis Ende 2022 mindestens 98 Prozent aller Haushalte je Bundesland sowie wichtige Verkehrswege mit mindestens 100 MBit/s zu versorgen. Die Bundesnetzagentur will mit den strengen Auflagen für 5G-Lizenzen erreichen, dass die Funklöcher geschlossen werden, von denen es in Deutschland immer noch zu viele gibt.

Weil die Vorgabe für den 5G Ausbau im gleichen Zeitraum nur auf 1000 Basisstationen lautet, wird dabei LTE zum Einsatz kommen. Auch deshalb haben Telefónica, Vodafone und die Telekom haben gegen diese Auflagen geklagt. Sie argumentieren, dass sie die Bedingungen zur Vergabe der LTE-Frequenzen bereits erfüllt haben und diese nun nachträglich – und unrechtmäßig – verschärft würden. "5G wird gerade missbraucht, um Altlasten zu lösen", kritisiert Haas.

Dass Netzbetreiber über zu harte Regulierung klagen, gehört auf dem MWC schon zur Folklore. Überraschend war deshalb, dass Vodafones neuer CEO Nick Read meint, die Branche müsse sich auch mal an die eigene Nase fassen. In 5G sieht er die Chance für eine Abkehr von der "protektionistischen Mentalität" der Netzbetreiber. "Wir kooperieren nicht gut genug", meint Read in Barcelona und führt als Beispiel das leidige Thema Roaming an. "Roaming war eine echte Belastung für die Verbraucher und wir haben das nicht schnell genug adressiert. Also ist der Regulierer eingeschritten."

Während in Deutschland noch über Vergabebedingungen und Funklöcher gestritten wird, schaffen die Netzbetreiber in anderen Regionen der Welt schon 5G-Realität. In den USA werden die ersten 5G-Netze für Endkunden scharfgeschaltet. "Bis Ende des Jahres werden wir kommerzielle 5G-Netze in 30 Städten haben", sagt Tami Erwin, Executive Vice President des US-Netzbetreibers Verizon. Auch in Südkorea ist 5G schon live, der Netzbetreiber LG Uplus feierte auf dem MWC den symbolischen Start seines Netzes.