Gendatenbanken sollen zu neuen Therapieformen führen

Immer mehr DNA-Informationen stehen der Forschung zur Verfügung. Darin könnten sich Ansätze gegen Erbkrankheiten verstecken.

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Gendatenbank soll zu neuen Therapieformen führen

(Bild: Dr Graham Beards | Wikipedia)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Antonio Regalado
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Die Sichelzellenanämie wird durch einen einzigen Buchstabenfehler im Hämoglobin-Gen erzeugt. Doch interessanterweise erkrankt nicht jeder Mensch, der diese Genveränderung geerbt hat, auch an der Blutkrankheit.

Schon 2008 hatten Forscher herausgefunden, aus welchem Grund dies so ist. Betroffene verfügen über eine zweite Erbgutbesonderheit, die dazu führt, dass ihr Körper fötales Hämoglobin weiter produziert, eine Variante der Sauerstoff-tragenden Substanz, die normalerweise nur bis zur Geburt hergestellt wird.

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Die zweite genetische Veränderung agiert also als Modifizierungselement – eine Art genetischer Gegeneffekt, der die Sichelzellenanämie verhindert. Dies soll sich künftig praktisch ausnutzen lassen, um Heilung hervorzurufen.

Ein Start-up will nun herausfinden, wo im Körper weitere solche Merkmale stecken. Die Firma Maze Therapeutics hat dazu hohe Investitionssummen eingesammelt – 191 Millionen US-Dollar von Risikokapitalgebern wie Third Rock Ventures, Arch Venture Partners und anderen. Mit dem Geld sollen nun bestehende Gendatenbanken nach solchen Modifizierungselementen durchforstet werden, um gegebenenfalls Wirkstoffe entwickeln zu können, die diese Effekte ausnutzen beziehungsweise nachbilden.

Das Start-up möchte dabei herausfinden, warum einige Leute erkranken und andere wiederum nicht. Es nutzt dabei die Tatsache aus, dass es mittlerweile gigantische öffentlich zugängliche Gendatenbanken gibt, die sich "minen" lassen. So sollen Menschen aufgefunden werden, die zwar über eigentlich problematische Gendefekte verfügen, dann aber dennoch keine ernsthaften medizinischen Probleme bekommen.

Die Jagd nach solchen genetischen Ausnahmeerscheinungen ist aktuell im Trend. So wurde schon vor einigen Jahren das sogenannte Resilience Project ins Leben gerufen, das besonders widerstandsfähige Personen ausfindig machen sollte und laut eigenen Angaben 2016 insgesamt 13 Menschen gefunden hat, die ernsthafte Kinderkrankheiten hätten entwickeln müssen, dies dann aber nicht taten. Andere Firmen wie Regeneron Pharmaceuticals setzen darauf, gigantische DNA-Datenmengen zu sammeln und darin dann nach Ausreißern zu suchen.

Maze Therapeutics betont dabei allerdings, dass das Unternehmen keine eigene, proprietäre Datenbank benötigt, die extrem teuer wäre. Stattdessen hat man vor, freie, öffentliche Ressourcen einzusetzen. Darunter sind etwa die britische Biobank mit den Genen von 500.000 Menschen sowie kostenlos zugängliche Gesundheitsakten. Ähnliche Daten will auch das amerikanische Kriegsveteranenministerium in Washington (US Department of Veterans Affairs) bereitstellen.

Hinter Maze Therapeutics steckt unter anderem Mark Daly, der einem Geninstitut in Finnland vorsteht. Das Land arbeitet derzeit am Aufbau einer eigenen Biobank. "Es gibt mittlerweile eine gigantische Menge an Gendaten da draußen", weiß auch Maze-Chef Charles Homcy. "Vor fünf Jahren wäre es noch ein Fehler gewesen, so etwas zu probieren."

Neue Werkzeuge helfen dem Unternehmen zudem bei der Arbeit im Labor. Einer der wissenschaftlichen Mitbegründer von Maze Therapeutics ist Jonathan Weissman, ein Forscher an der University of California in San Francisco. Ihm zufolge ist es mittlerweile möglich, Tausende menschliche Zellen, die eine Mutation aufweisen, zu nehmen, um sie dann mit Geneditierungswerkzeugen wie CRISPR zu bearbeiten und so eine andere genetische Modifikation einzuführen.

Anschließend werden andere neuartige Verfahren zur Analyse einzelner Zellen verwenden, um zu untersuchen, ob eine Modifikation tatsächlich Effekte auf eine Erbkrankheit hat. "Man kann sich eine Zelle mit einem Gen nehmen, das eine Krankheit auslöst, und dann versuchen, es in ein normales Gen zu verwandeln", so Weissman. Dabei sei es sogar möglich, 100.000 Experimente gleichzeitig durchzuführen, weil ja jede Zelle ihr eigenes Experiment sei.

Mittlerweile gibt es auch erste Medikamente, die auf dem Auffinden von Modifzierungselementen basieren. Dazu gehört Spinraza, ein Mittel, das sich erfolgreich zur Behandlung der spinalen Muskelatrophie, einer oft tödlichen Kinderkrankheit, verwenden lassen soll.

(bsc)