Aktionen gegen EU-Urheberrechtsreform: (Nicht nur) deutschsprachige Wikipedia protestiert

Die deutschsprachige Wikipedia bleibt am Donnerstag für einen Tag offline. Unterstützung erhält die Online-Enzyklopädie von OpenStreetMap.

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Protest gegen EU-Urheberrechtsreform: Deutschsprachige Wikipedia offline für einen Tag
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Wikimedia Deutschland hat die angekündigte Protestaktion gegen die EU-Urheberrechtsreform, besonders gegen Artikel 13 zu Upload-Filtern, wahrgemacht. Am Donnerstag, den 21. März ist die Online-Enzyklopädie nicht mehr wie gewohnt über den Browser erreichbar.

Stattdessen steht eine in schwarz gehaltene Trauerseite im Web, auf der Wikimedia Deutschland den Protest begründet. "Dies ist unsere letzte Chance. Helfen Sie uns, das Urheberrecht in Europa zu modernisieren", fordert Wikimedia ihre Benutzer eindringlich auf, sich gegen den Gesetzentwurf zu engagieren, der am 26. März vom Europäischen Parlament verabschiedet werden soll. Eine Möglichkeit dafür ist eine Beteiligung an Demonstrationen, die am Samstag, den 23. März, in einer Vielzahl deutscher Städte erwartet werden.

Wikimedia Deutschland und ihre Autoren, die sich vorab mehrheitlich in einer Abstimmung für die Online-Protestaktion und Abschaltung ausgesprochen hatten, befürchten eine erhebliche Einschränkung des freien Internet durch die EU-Urheberrechtsreform. Im Fokus steht dabei die Kritik an Upload-Filtern im Artikel 13 des Gesetzentwurfs. Auch kleinste Internetplattformen müssen demnach vorab verhindern, dass urheberrechtlich geschütztes Material durch ihre User hochgeladen und veröffentlicht wird, da die Plattformen sonst haftbar gemacht werden könnten.

Aus Sicht der Wikimedia sei dies praktisch nur durch "fehler- und missbrauchsanfällige Upload-Filter umsetzbar". Im aktuellen Entwurf ist von konkreten Upload-Filtern zwar nicht die Rede, allerdings scheinen sie die einzige Möglichkeit zu sein, die Regelungen überhaupt umsetzen zu können.

Die Wikipedia und weitere nicht-kommerzielle Online-Enzyklopädien sind zwar von der Verpflichtung ausgenommen und haften entsprechend nicht, allerdings befürchtet die Wikimedia Foundation, dass die Arbeit der Autoren dadurch beeinträchtigt werden könnte. Sie befürchtet, dass eine Art Zensur-Infrastruktur aufgebaut wird, die den freien Informationsfluss hemmen könnte.

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Zusätzlich kritisiert Wikimedia Deutschland den Artikel 11 des Gesetzes, der das Leistungsschutzrecht für Presseverleger regelt. Websites müssten für kurze Textausschnitte aus Presseerzeugnissen Lizenzen erwerben, um die neuen Regelungen einzuhalten, schreibt Wikimedia Deutschland. Das führe dazu, dass die Meinungs-, Kunst- und Pressefreiheit "erheblich beeinträchtigt" werden könnte. Von dieser Regelung ist dann auch die Wikipedia betroffen.

Um das neue EU-Urheberrecht zu verhindern, bittet Wikimedia Deutschland seine Nutzer um Mithilfe. Sie sollen ihre Abgeordneten im Europäischen Parlament kontaktieren und sie über die eigene Haltung zum Thema informieren. Wikimedia fordert jedoch nicht explizit einseitig dazu auf, die Abgeordneten unter Druck zu setzen, um das Gesetz zu verhindern. Allerdings verweist Wikimedia Deutschland auf eine breite gesellschaftliche Opposition gegen das Gesetz, die von mehr als fünf Millionen Unterstützern einer Petition, 145 Bürger- und Menschenrechtsorganisationen, Wirtschafts- und IT-Verbänden, Internet-Pionieren, darunter Tim Berners-Lee, Journalistenverbänden und Kreativen gebildet wird.

Mit ihrer Protestaktion steht die deutschsprachige Wikipedia deshalb am Donnerstag auch nicht allein da. Sie hofft, dass andere Sprachversionen der Wikipedia nachziehen und zumindest Protestbanner auf ihren Websites einblenden werden. In einem ersten Test war das jedoch bei der englisch-, französisch- und spanischsprachigen Wikipedia am frühen Donnerstagmorgen noch nicht der Fall.

OpenStreetMap Deutschland und die OpenStreetMap Foundation positioniert sich ähnlich wie Wikimedia Deutschland. Sie stellen sich ebenfalls gegen den Gesetzentwurf zum EU-Urheberrecht. Auf der Website OpenStreetMap ist am Donnerstag ein Banner zu sehen, der auf eine Webseite führt, in der OpenStreetMapDeutschland über die Problematik informiert und seinen Unmut über das geplante EU-Urheberrecht Luft macht.

OpenStreetMap befürchtet, dass ihre Arbeit durch das Gesetz beeinträchtigt werden könnte. Das Projekt ist auf die Mitarbeit von Nutzern angewiesen, die Geodaten zur den freien Kartenmaterialien beisteuern. Diese Daten würden bisher "sofort" in den Datenbestand von OpenStreetMap einfließen. Ein zwischengeschalteter Upload-Filter dagegen würde beispielsweise Korrekturen verzögern, da diese dann erst geprüft werden müssten. Möglicherweise würden sie auch gar nicht erst einfließen, heißt es bei OpenStreetMap. Das sei "äußerst unpraktikabel".

Anders als Wikimedia Deutschland findet OpenStreetMap deutlichere Worte hinsichtlich des Engagements gegen das EU-Urheberrecht und fordert ihre Benutzer auf, sich an den Protestaktionen am 23. März in Deutschland zu beteiligen. Von dem Schreiben an E-Mails an Abgeordneten hält OpenStreetMap wenig, da die Mails sowieso nur im Spam-Filter landen oder als Nachrichten von Bots diffamiert würden. Deshalb solle man die Abgeordneten im EU-Parlament lieber anrufen, damit der Protest sichtbarer werde.

Die erstmalige Abschaltung der deutschsprachigen Wikipedia betrifft augenscheinlich ausschließlich die Website, wenn sie über einen Browser abgerufen wird. Wikipedia-Apps für Android und iOS sind davon nicht betroffen. Grund dafür ist der Zugriff auf die Inhalte. Hier müssten die jeweiligen Entwickler der Apps selbst eine Protestseite schalten, was vermutlich lediglich durch ein App-Update möglich wäre.

Mit dem Thema EU-Copyright-Reform und den Auswirkungen des Artikel 13 beschäftigt sich auch die #heiseshow vom heutigen Donnerstag:

(olb)