EU-Copyright-Reform: Berichterstatter Voss erwartet Mehrheit im Parlament

Verhandlungsführer Axel Voss will am Dienstag "einen Schlussstrich unter dieses Kapitel ziehen". Diffamierungen gegen ihn hätten "Maß und Mitte" verloren.

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EU-Copyright-Reform: Berichterstatter Voss erwartet Mehrheit im Parlament

Axel Voss, CDU-Politiker und Twitter-Meme (#axelsurft).

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Allen Protesten auch von Seiten von Rechtswissenschaftlern, Datenschützern und UN-Experten für die Meinungsfreiheit zum Trotz geht Axel Voss davon aus, den von ihm federführend ausgehandelten Entwurf zur Urheberrechtsreform am Dienstag durch das EU-Parlament zu bringen. Er habe "nicht so massenhafte Signale" bekommen, "das wird nix", erklärte der CDU-Politiker am Dienstag im Europäischen Haus in Berlin. Er sei daher "hoffnungsvoll, was die Mehrheit betrifft".

EU-Urheberrechtsreform und Artikel 13/17

Die abschließende Debatte wird am Dienstagvormittag in Straßburg stattfinden, die Abstimmung um 12 Uhr. Voss betonte, er wolle danach "einen Schlussstrich unter dieses Kapitel ziehen". Der "persönliche Druck, den man aushalten muss mit irgendwelchen Diffamierungen in sozialen Medien", sei zu weit gegangen, beklagte der parlamentarische Berichterstatter. Hier sei teils "Maß und Mitte verloren" gegangen.

Dass es von Zeitungen Drohungen von "schlechter Presse" gegeben habe, sollte das EU-Leistungsschutzrecht nicht kommen, konnte die grüne EU-Abgeordnete Helga Trüpel nicht bestätigen. "Alle machen bei dieser Frage Lobbying". Sie habe zwar einen Brief von Chefredakteuren bekommen, "von irgendwelchen Drohungen stand da aber nichts drin." Auch Voss räumte ein, dass es Versuche der Einflussnahme von allen Seiten gegeben hat. "Natürlich findet das alles statt. Das ist das Übliche im Gesetzgebungsverfahren", sagte der Verhandlungsführer, will das aber nicht auf die Frage nach Drohungen bezogen wissen: "Es gab niemals eine solche Drohung", stellte Voss später auf Twitter klar.

Vorige Woche gab es laut dem "General-Anzeiger" eine Bombendrohung gegen das Bonner Büro von Voss. Auslöser soll ein Eintrag in einem finnischen Linux-Forum gewesen sein, der über Reddit verbreitet, aber mittlerweile gelöscht wurde. Ein Nutzer habe darin angegeben, einen Sprengsatz am Büro des Bonner Politikers bereits angebracht zu haben. Er werde explodieren, wenn das EU-Parlament nächste Woche die Urheberrechtsreform passieren lasse.

"Wir haben auf die ein oder andere Kritik reagiert", verteidigte der Christdemokrat die Mitte Februar in den Trilogverhandlungen mit dem Ministerrat und der Kommission gefundene Übereinkunft. Der Text sei damit "balancierter" geworden. Trotzdem reduziere sich die öffentliche Debatte nach wie vor auf Artikel 13 "zu den sogenannten Upload-Filtern", obwohl diese allenfalls "in der Umsetzung eine Rolle spielen" könnten.

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"Erreichen wollen wir letztlich nur die Plattformen, die genau wissen, dass sie urheberrechtlich geschütztes Material haben und Gewinn erzielen", unterstrich Voss. Diesen sage der Gesetzgeber nun: "Ihr macht dann eine öffentliche Wiedergabe und sollt euch mit Haftungsfrage auseinandersetzen, die aber nicht ohne Weiteres absolut gilt". So gebe es mehrere "Versuche zur Enthaftung" sowie Ausnahmen für kleine und junge Portale. Meme, Gifs und sonstige Parodien der Nutzer würden ausdrücklich erlaubt. Letztlich seien von Artikel 13 wohl "nur ein bis fünf Prozent der Plattformen im Internet betroffen".

Als Vizevorsitzende des Kulturausschusses verwies Trüpel darauf, dass Copyright-Anwälte von Apple, Google, Facebook und Netflix Volksvertretern bei einer Tour im Silicon Valley gesagt hätten, dass ihnen der eingeschlagene Kurs überhaupt nicht passe und sie sich "einmischen" würden in die Trilogverhandlungen. Auch mit zivilgesellschaftlichen Organisationen gebe es ein Problem, da diese oft nicht sagten, "wo ihre Gelder herkommen" und "auch nicht völlig fern von ökonomischen Interessen" seien.

Generell ist das Verfahren bei der Copyright-Richtlinie laut der Schattenberichterstatterin "nicht undemokratischer als bei jedem europäischen Gesetz" verlaufen. Wer anderes behaupte, diskreditiere die europäische Politik. Eine "Verpflichtung" für Upload-Filter stehe entgegen dem "Framing" mit Hashtags wie Zensurmaschinen nicht im Text, sodass Schwarz-Rot hierzulande auch den Koalitionsvertrag nicht gebrochen habe. Trüpel freute sich, dass schon 96 Abgeordnete ihr "Manifest für ein offenes und faires Netz mit Bezahlung von Urhebern" unterschrieben hätten. Internetmonopole müssten endlich stärker reguliert werden. Sie lasse sich in solchen Fragen vor allem von ihrem Gesangslehrer persönlich beraten.

Die Fraktion der Grünen ist bei dem Dossier allerdings völlig gespalten. Die ihr ebenfalls angehörende Piratin Julia Reda monierte, dass die zivilgesellschaftliche und wissenschaftliche Expertise bei dem Verfahren nicht eingebunden worden sei und "eine Umsetzung ohne Upload-Filter nicht möglich ist". Sie habe als Schattenberichterstatterin miterlebt, wie im Trilog aber alle direkt darauf hinweisenden Wörter aus dem Text entfernt worden seien. Letztlich hätten die Verhandlungsführer grundlegende Widersprüche zwischen dem geltenden Urheberrechtssystem und dem Internet nicht angepasst.

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Aus der versprochenen rechtssicheren Möglichkeit, Memes hochzuladen, wird laut Reda zudem nichts. Alle Experten für Künstliche Intelligenz (KI) sagten, dass Filtertechnologien nicht zwischen theoretisch legal und rechtswidrig hochgeladenen Inhalten unterscheiden könnten. Es bringe auch nichts, wie die CDU auf nationaler Ebene an Artikel 13 herumzudoktern und eine Vergütungspauschale einführen zu wollen, da dies nicht mit der Richtlinie vereinbar wäre und die Plattformen sich "nicht an 28 verschiedene Rechtsformen anpassen können". Sie hoffe daher, dass das Parlament die Novelle noch einmal stoppen werde. Zumindest dürfte die Abstimmung "sehr knapp ausfallen".

"Ich hatte im Sommer eine Alternative ähnlich zu dem CDU-Vorschlag gemacht", berichtete der EU-Abgeordnete Tiemo Wölken (SPD). Diese sei damals abgelehnt worden. Jetzt sei ein solcher rein nationaler Ansatz "nicht hilfreich" beziehungsweise sogar europarechtswidrig. Er habe daher einen Änderungsantrag eingebracht, um Artikel 13 zu streichen und andernfalls die Reform abzulehnen. Rund 150 Abgeordnete wollten dies bislang mittragen. Auch für den SPD-Parteikonvent am Wochenende gebe es Anträge, die sich gegen Upload-Filter aussprächen.

Sollten die Sozialdemokraten im EU-Parlament für ihre Position eine Mehrheit finden, sei das Verfahren damit nicht "automatisch tot", widersprach Wölken entsprechenden Befürchtungen von Voss. Was der Rat dann mache, "steht absolut in den Sternen". Zugleich begrüßte Wölken, dass eine "große zivilgesellschaftliche Bewegung" nicht nur mit dem Blackout-Day, sondern auch mit Demonstrationen zeige, dass Artikel 13 mehr Nach- als Vorteile habe. Eine Petition gegen Upload-Filter hat am Donnerstag die Marke von fünf Millionen Unterschriften übersprungen. Für Samstag sind europaweit Protestaktionen geplant; in Berlin soll eine Demo um 14 Uhr am Potsdamer Platz starten. Auf einem speziellen Portal haben bisher 123 von 754 EU-Parlamentariern zugesichert, gegen die Novelle stimmen zu wollen.

Update: Klarstellung des Gesprächsverlaufs zu angeblichen Drohungen und Stellungnahme von Voss im dritten Absatz ergänzt. (axk)