Kommentar: Urheberrechtsreform – Angriff auf den gesunden Programmiererverstand

Autorin und Programmiererin Elisabeth Bauer übt schon mal, wie sie Kunden Uploadfilter schmackhaft macht. Ob uns Axel Voss da vor allen Problemen rettet?

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EU-Copyright, Artikel 13 und Upload-Filter: Barley verteidigt Ja zur EU-Reform

(Bild: Ivan Marc / shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Elisabeth Bauer

Im Jahr 2018 lebten 7,65 Milliarden Menschen auf der Welt. Selbst wenn man davon ausgeht, dass viele davon mit dem bloßen Überleben beschäftigt sind, bleiben noch Millionen, die schöpferisch tätig sind: Kinder malen Bilder, auf Papier, in den Sand, an Wände. Formen Kunstwerke. Singen. Erwachsene malen, fotografieren, zeichnen, musizieren und schreiben – in ihrer Freizeit oder manchmal auch ganz oder teilweise zu ihrem Lebensunterhalt.

Ein Beitrag von Elisabeth Bauer

Nach einem Politikstudium und Ausflügen in die Forschung und den Journalismus u. a. bei c't, EasyLinux und Linux-Magazin arbeitet Elisabeth Bauer heute als Software-Entwicklerin für eine Münchner IT-Firma. In ihrer Freizeit engagierte sie sich mehrere Jahre bei der freien Enzyklopädie Wikipedia.

In meinem Leben war ich vieles davon: Ich war das Kind, das so schöne Bilder gemalt hat, dass ein mit meinen Eltern befreundeter Künstler eine Ausstellung damit veranstaltet hat. Ich war die junge Praktikantin, die mit ehrfürchtigem Staunen ihre eigenen Artikel das erste Mal gedruckt in der Zeitung sah (und das beachtliche Honorar auf dem Konto). Ich war die Redakteurin, die Texte anderer bearbeitet hat, damit sie in Zeitschriften erscheinen konnten. Ich war eine von tausenden Ehrenamtlichen, die bei der Schaffung eines der modernen Weltwunder mitgewirkt haben, der freien Enzyklopädie Wikipedia.

Heute bin ich Programmiererin.

Und die Abgeordneten des EU-Parlaments haben meinen Berufsstand gerade dazu verpflichtet, Programme herzustellen, die den widerrechtlichen Upload urheberrechtlich geschützter Werke auf Online-Plattformen verhindern.

EU-Urheberrechtsreform und Artikel 13/17

Als Programmiererin sammele ich in so einem Fall in einem Kundengespräch erstmal die Anforderungen.

Ich: "Also das Programm soll den widerrechtlichen Upload urheberrechtlich geschützter Werke verhindern. Es gibt da verschiedene Technologien. Aber für alle brauche ich natürlich die Werke selbst, damit ich Fingerprints anfertigen kann. Wann können sie mir die gesamte urheberrechtlich geschützte Werkproduktion der Menschheit zur Verfügung stellen?"

Kunde: "..."

Ich: "Dann ist noch die Frage, wie man an Werke rankommt, die nur offline verfügbar sind. Sie werden Angestellte brauchen, die regelmäßig alle Produktionsstätten urheberrechtlich geschützter Werke weltweit regelmäßig aufsuchen und die Produktion einscannen. Viele davon werden in Privatwohnungen hergestellt, da stellt sich auch die Frage der Zugangsrechte. Unverletzlichkeit der Wohnung und so..."

Kunde: "..."

Ich: "Damit wir nichts irrtümlich in den Bestand aufnehmen, das nicht urheberrechtlich geschützt ist, brauchen wir eine Funktion, die die Schöpfungshöhe nach der Rechtslage des betreffenden Landes prüft. Sollen wir dafür eine KI entwickeln oder soll diese Arbeit ebenfalls von Menschen erledigt werden?"

Kunde: "..."

Ich: "Wir werden wahrscheinlich einiges an Festplattenplatz und Rechenleistung brauchen. Einen genauen Bedarf kann ich ihnen noch nicht nennen, aber gehen Sie für eine ungefähre Vorstellung mal von der Infrastruktur von Google aus. Eigene Kraftwerke für die Stromversorgung könnten eventuell auch nicht schaden."

Kunde: "..."

Ich: "Wir werden selbstverständlich alle Arten der Einbettung nach jeweiliger Medienart berücksichtigen. Also auch wenn das Bild oder Video gespiegelt, gedreht, verzerrt, die Farben verändert sind oder es in ein anderes eingebettet ist. Aber für die korrekte Lied-Erkennung bei Uploads von Kindergartenfeierlichkeiten müssen wir vermutlich noch ein Forschungs-Team beauftragen."

Kunde: "..."

Ich: "Alles in allem wird das nicht billig für Sie."

Kunde: "Ich weiß nicht, ob ich mir das leisten kann. Soviel wirft mein Modelleisenbahn-Forum, auf dem Nutzer Fotos ihrer Eisenbahnanlagen veröffentlichen können, auch nicht an Werbeeinnahmen ab. Aber uns gibt es halt schon seit 15 Jahren, damit sind wir kein Startup mehr."

Auftritt Axel Voss als Deus ex machina: "RETTUNG, ICH BRINGE DIE RETTUNG! Wir als Gesetzgeber meinten natürlich nicht ALLE urheberrechtlich geschützten Werke. Wir meinten nur die Werke, mit denen große Konzerne Geld verdienen."

Axel Voss überreicht dem verdutzten Kunden einen Stapel ausgedruckter Online-Formulare: "Hier, unterzeichnen Sie diese Lizenzverträge mit der GEMA, der VG Bild, VG Wort, Disney, Getty Images und Axel Springer und Sie müssen sich KEINERLEI Sorgen mehr machen."

Kunde und ich im Chor: "Aber die Urheberrechtsrichtline sagt doch..."

Axel Voss: "KEINERLEI SORGEN!"

Axel Voss singend ab: "Hakuna matata, diesen Spruch sag ich gern. Hakuna matata, gilt stets als modern. Es heißt, die Sorgen bleiben dir immer feeeeeern..."

GEMA: "Herr Voss, ...!" (axk)