Seehofer-Entwurf: BND soll Bundestrojaner gegen Deutsche im Inland einsetzen dürfen

Das Seehofer-Konzept für ein "harmonisiertes" Verfassungsschutzrecht ist ein breites Geheimdienstermächtigungsgesetz mit Lizenz zum Wohnungseinbruch.

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Seehofer-Entwurf: BND soll Bundestrojaner gegen Deutsche im Inland einsetzen dürfen

Bundesinnenminister Horst Seehofer, Archiv

(Bild: dpa)

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Der Referentenentwurf von Bundesinnenminister Horst Seehofer für ein Gesetz "zur Harmonisierung des Verfassungsschutzrechts" geht weit über die bereits bekannt gewordene Befugnis des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) hinaus, den Bundestrojaner etwa für heimliche Online-Durchsuchungen einsetzen zu dürfen. So will der CSU-Politiker etwa auch die Kompetenzen für den Bundesnachrichtendienst (BND) umfassend neu regeln und ausweiten.

Dass der BND schon bislang im Ausland weitgehend vogelfrei Nicht-Deutsche überwacht und deren Rechner oder Handys hackt, ist kein Geheimnis. Die Agenten stützen sich dabei auf die Annahme, dass ausländische Staatsangehörige vom Fernmeldegeheimnis des Grundgesetzes nicht oder zumindest weniger stark geschützt sind.

Das Innenministerium will diese Praxis mit einer gesonderten "klarstellenden" Lizenz "für die vom Inland aus durchgeführte Datenerhebung aus informationstechnischen Systemen von Ausländern im Ausland" nun legalisieren, wie aus dem von Netzpolitik.org veröffentlichten Entwurf hervorgeht.

Als Skandal galt es bislang, wenn von den BND-Hackeraktivitäten im Ausland etwa auch deutsche Journalisten vor Ort betroffen waren. Laut dem von Seehofer geplanten Paragraf 5b des in der Reform mit überarbeiteten BND-Gesetzes soll der Auslandsgeheimdienst künftig aber auch den Bundestrojaner oder vergleichbare "technische Mittel" gegen "deutsche Staatsangehörige", eine "inländische juristische Person" oder "sich im Bundesgebiet aufhaltende Personen" in Stellung bringen und Daten von deren IT-Systemen erheben, auswerten und an Dritte inklusive ausländische Stellen wie die NSA übermitteln dürfen.

Zulässig sein soll das in Fällen "gravierender Straftaten" beziehungsweise bei "Sachverhalten mit besonderen Gefahren für die Bundesrepublik oder ihre Bevölkerung". Freigeben müsste dies das Bundeskanzleramt. Das Innenressort begründet das Vorhaben damit, dass solche Schritte für die Auftragserfüllung des BND "in bestimmten Fällen unverzichtbar" seien. Dies gelte etwa, "wenn sich für die Sicherheitspolitik der Bundesrepublik bedeutsame Informationen besonders zuverlässig, authentisch und konzentriert gerade auf Datenträgern in solchen Systemen finden". Außen vor bleiben müssten nach der BND-NSA-Selektorenaffäre EU-Einrichtungen und öffentliche Stellen der Mitgliedsstaaten.

Neben den weiten Kompetenzen für Online-Durchsuchungen sollen BND und BfV zudem Staatstrojaner für die Quellen-Telekommunikationsüberwachung verwenden und so etwa WhatsApp oder Skype abhören dürfen. Damit wird die "laufende Kommunikation" über die eingeschleuste Schadsoftware vor dem Ver- beziehungsweise nach dem Entschlüsseln abgegriffen.

Dies soll auf Basis der allgemeinen Voraussetzungen sowie eines recht breiten Deliktkatalogs aus dem "Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses" in Artikel 10 Grundgesetz möglich sein, also mit deutlich weiteren allgemeinen Befugnissen der Geheimdienste. Für den BND geht es dabei auch darum, die außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit der Bundesregierung zu gewährleisten, illegale Finanz- und Waffenströme nebst der organisierten Kriminalität zu bekämpfen sowie Korruption und Bestechung zu reduzieren.