Seehofer-Entwurf: BND soll Bundestrojaner gegen Deutsche im Inland einsetzen dürfen

Seite 2: "Womöglich entferntere Möglichkeit"

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Staatsschützer und BND-Agenten sollen zudem für "Vorbereitungshandlungen" zum Aufspielen des Bundestrojaners auf private Endgeräte heimlich die Wohnung einer Zielperson betreten dürfen. Rechtswissenschaftler lehnen das als überaus tief in die Grundrechte der Betroffenen einschneidende Maßnahme ab.

Für Anordnungen und Kontrolle für den Einsatz entsprechender Überwachungssoftware beim BfV soll die G10-Kommission des Bundestags zuständig sein. Eilbeschlüsse müssten erst binnen dreier Tage durch deren Vorsitzenden oder seinen Stellvertreter bestätigt werden. Die Staatsschützer sollen Trojaner auch verwenden dürfen, wenn "bereits eine womöglich entferntere Möglichkeit" besteht, dass ein Cyber-Angriff von einem fremden Geheimdienst ausgeht. Als einen Aufklärungsansatz bezeichnet es das Ministerium dabei, von einem erkannten Angriffsserver "ein Systemabbild zu gewinnen" und auszuwerten, um dadurch Rückschlüsse auf Hintermänner und deren Intentionen ziehen zu können.

Künftig soll es nach Seehofers Willen auch keine Altersgrenze mehr geben für Personen, die das BfV in seinen Dateien erfassen darf. Sie liegt bisher bei 14 Jahren. Diese besonderen Voraussetzungen zum Schutz von Minderjährigen sollen nun entfallen, um den "ganzheitlichen Schutzansatz des Verfassungsschutzes" zu unterstreichen. Nicht nur der Kinderschutzbund läuft dagegen Sturm.

Prinzipiell soll ein erweiterter nachrichtendienstlicher Informationsverbund entstehen, in den dann der Militärische Abschirmdienst (MAD) "optional vollwertig einbezogen" werden dürfte. Auch das Bundesamt für Sicherheit Informationstechnik (BSI) soll einbezogen werden, "insbesondere um elektronische Angriffe fremder Mächte gemeinsam aufklären zu können". Die informationelle Zusammenarbeit in der Behörde "ebenso wie im Falle des BND nicht spezifischen Einschränkungen einer grundsätzlichen informationellen Trennung unterworfen". Ferner ist es laut dem Entwurf geboten, dass BND und MAD "an gemeinsamen Projektdateien des BfV mit ausländischen Nachrichtendiensten" teilnehmen.

Das Ministerium will auch den Kreis der Unternehmen erweitern, die gegenüber den Spionagebehörden einschließlich der neu hinzukommenden Landesverfassungsschutzämter im Rahmen der Terrorismusbekämpfung Auskünfte erteilen müssen. Dazu zählten künftig "alle Anbieter von Leistungen zum Transport von Personen", also auch Carsharing-Dienste, sowie neben Providern von Telekommunikationsdiensten auch die von Telemedien. Zudem werden sämtliche "geschäftsmäßig erbrachten Postdienste wieder einbezogen", um auch "Überweisungen durch Bargeldbriefsendungen an dafür eingerichtete Postfächer" aufzuspüren.

Zur Auskunft über Bestandsdaten inklusive Geburtsdaten sollen auch ausländische Betreiber von "Computerreservierungssystemen und globalen Distributionssystemen" wie Amadeus verpflichtet werden, wenn sie hierzulande Leistungen erbringen. Dazu zählt auch die "Einbuchung eines aktiv geschalteten Mobiltelefons in eine Funkzelle", sodass das Ministerium hier eine erweiterte Möglichkeit zur Abfrage schaffen will.

Um den Aufenthaltsort von Zielpersonen festzustellen, soll das BfV ferner nicht nur etwa einen GPS-Sender installieren, sondern auch wirkungsgleiche mittelbare Technik wie die "stille SMS" ausdrücklich einsetzen dürfen. Die "Höchstfrist der Anordnung bei Verkehrsdaten" solle entsprechend dem längerfristigen Strukturaufklärungsansatz der Verfassungsschutzbehörden" auf sechs Monate verlängert werden, was einer neuen Vorratsdatenspeicherung gleichkäme. Die Pflicht der Geheimdienste, halbjährlich Kontrollgremien über Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung zu berichten, will das Ministerium streichen.

Der Entwurf wird derzeit mit anderen Ressorts abgestimmt. Vor allem Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) hat Protest angekündigt. Ihr Haus sehe den Umfang an geplanten Überwachungsmaßnahmen deutlich überschritten, heißt es in Berichten. Burkhard Lischka, der Innenexperte der SPD im Bundestag, sagte der taz: "Mit uns ist das nicht zu machen." Sein Kollege in der CDU/CSU-Fraktion, Armin Schuster, warf Barley dagegen gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland eine "Totalblockade" vor. Der parlamentarische Innenstaatssekretär, Günter Krings (CDU), zeigte sich überzeugt: "Wenn das Justizministerium seine Arbeit tut und sich inhaltlich mit dem Gesetzentwurf beschäftigt, werden die Einwände schnell in sich zusammen fallen." (anw)