Ein "Fitbit für Deine Karriere"

Immer mehr Unternehmen tracken das Verhalten ihrer Mitarbeiter während der Arbeit. Das gilt nicht mehr nur für deren Computerbenutzung.

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Ein "Fitbit für Deine Karriere"

Mitarbeiter mit Humanyze-Badge.

(Bild: Humanyze)

Lesezeit: 3 Min.

Fitnesserfassungsgeräte haben immer mehr Fans. Sei es der klassische Schrittzähler oder die Computeruhr – der Trend zur digitalen Selbstoptimierung ist bei Otto Normalverbraucher angekommen. Doch was ist mit der Effizienz bei der Arbeit, lässt die sich auch quantifizieren?

Unternehmen sind längst dabei, ihre Mitarbeiter entsprechend zu tracken. Eine Umfrage aus dem Jahr 2018, die das IT-Marktforschungsunternehmen Gartner durchgeführt hat, ermittelte, dass 22 Prozent der weltweiten Organisationen in unterschiedlichen Industrien aufzeichnen, wo sich ihre Angestellten gerade befinden. 17 Prozent überwachen die Computernutzung und 16 Prozent schauen auch mal in die E-Mails (Microsoft Outlook) oder die Kalender. Ziel ist stets, die Produktivität zu erhöhen, heißt es aus dem Management.

Doch solche Techniken sind erst der Anfang. Verschiedene Start-ups wollen Mitarbeiter noch deutlich genauer überwachen – in Form eines "Fitbits für Deine Karriere", wie sie ihre Verfahren bewerben. Darunter ist etwa die US-Firma Humanyze, die seit gut vier Jahren an einem sogenannten Smart Badge werkelt, den Arbeiter um den Hals tragen sollen. Dieser soll über 40 verschiedene "Datenpunkte" erfassen können – die "Datenabgase", die Angestellte hinterlassen und die sich als wertvoll erweisen können.

Das am MIT entstandene Unternehmen erfasst beispielsweise, wenn ein Angestellter redet, sich bewegt oder am Schreibtisch sitzt. Der Smart Badge erkennt, wenn andere Nutzer mit Badge sich in der Nähe befinden und sogar Toilettengänge tracken. Die Firma betont, Unternehmen erhielten nur aggregierte Daten, sie können also beispielsweise nicht einzelnen Gesprächen der Mitarbeiter folgen.

Stattdessen kommen dann Daten heraus, die zur Optimierung von Firmenabläufen führen sollen. So hat, wie Firmenchef Ben Waber, ein ehemaliger Doktorand am MIT Media Lab, die Datenerfassung etwa gezeigt, dass größere Kantinentische die Leistung einer Programmierertruppe um bis zu 10 Prozent steigern können. Wer statt an Vierer- an Zwölfertischen sitzt, codet angeblich besser, weil es mehr Interaktionen gibt.

Das Tracking bei der Arbeit mögen karrierebewusste Mitarbeiter ja noch verstehen. Eine Erfassung privater Daten außerhalb des Betriebs, die aber Auswirkungen auf selbigen haben könnten, sind ein problematischeres Thema.

Mehr Infos

So berichtete die "New York Times" neulich von Gesundheits-Apps, die Mitarbeitern diverser großer Firmen offeriert wurden – darunter ein Tool zum Tracken der Schwangerschaft. Es wurde Mitarbeitern unter anderem mit Rabatten schmackhaft gemacht. Die detaillierte (wenn auch freiwillige) Datenerfassung wurde dann ebenfalls aggregiert und an die Unternehmen weitergereicht. Die wollten offenbar früh genug mitbekommen, wann eine Mitarbeiterin ein Baby erwartet – und sicherstellen, dass bei der Schwangerschaft nicht zu hohe Kosten für die Versicherung entstehen, die das Unternehmen berappt. Der "Creep"-Faktor war hoch: Selbst das Sexverhalten wollten die App-Entwickler wissen.

(bsc)