Glyphosat-Gutachten: Trotz tausender Anträge keine Veröffentlichung im Netz

Die für ein Glyphosat-Gutachten verantwortliche Behörde verzeichnet seit einem gerichtlichen Veröffentlichungsverbot bereits 23.000 Anträge auf Herausgabe.

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Künstliche Intelligenz, Informationsfreiheit

(Bild: Gerd Altmann, Lizenz CC0 / Public Domain)

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Von
  • Tim Gerber

Trotz Antragszahlen in fünfstelliger Höhe will das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ein Gutachten zu den Auswirkungen des umstrittenen Pflanzenschutzmittels Glyphosat weiterhin nicht im Netz veröffentlichen. Vielmehr sollen die Anträge wohl einzeln bearbeitet werden. Nachdem es die Veröffentlichung auf der Plattform FragDenStaat.de in einem Eilverfahren gerichtlich hatte untersagen lassen, sind bei der Behörde nach deren Angaben etwa 23.000 Anträge auf Herausgabe nach dem Informationsfreiheits- und dem Umweltinformationsgesetz (IFG, UIG) eingegangen. Die Plattform hatte infolge des gerichtlichen Verbots zur Antragstellung aufgerufen.

Die Anträge muss das BfR einzeln bearbeiten und entscheiden. Dass die Antragsteller das Gutachten erhalten, gilt als wahrscheinlich, da die Behörde es bereits zuvor auf Grundlage des IFG an einzelne Antragsteller herausgegeben hatte, unter anderem an Arne Semsrott, der für die Open Knowledge Foundation Deutschland (OKFN) die Anfrageplattform FragDenStaat.de betreut. Gebühren wurden dabei nicht erhoben. Den weiteren Antragstellern dürften deshalb voraussichtlich ebenfalls keine Gebühren abverlangt werden.

Das Informationsweiterverwendungsgesetz (IWG) erlaubt ausdrücklich die kommerzielle und nichtkommerzielle Weiterverwendung von Informationen, die wie das Glyphosatgutachten nach dem IFG zugänglich sind. Der zugrundeliegenden EU-Richtlinie über die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors (PSI-Richtlinie) folgend gilt dies jedoch nicht für solche Informationen, die sich "im Besitz" von Bildungs- und Forschungseinrichtungen befinden. Diese Ausnahme will das BfR auch für sich geltend machen, denn es sei eine unabhängige Forschungseinrichtung. Dabei ist schon der Begriff des "Besitzes" von Informationen in dem Gesetz schwammig: Die Richtlinie spricht in der englischen Fassung von "held by", das englische Wort für Besitz wäre eher possession – mit der Auslegungsfrage wird sich also womöglich der Europäische Gerichtshof (EuGH) befassen müssen, um eine europaweit einheitliche Anwendung sicherzustellen.

Das Bundesministerium für Ernärhung und Landwirtschaft von Julia Klöckner (CDU) sieht offenbar keinen Anlass zum aufsichtsrechtlichen Eingreifen in Sachen Glyphosat-Gutachten.

(Bild: BMEL)

Zudem untersteht das BfR, das der Beratung von Politik und Behörden insbesondere in Fragen der Lebensmittelsicherheit dient, der Aufsicht des Bundeslandwirtschaftsministeriums von Julia Klöckner (CDU). Dieses sei laut BfR über den Vorgang informiert, habe jedoch bislang nicht eingegriffen, teilte das BfR auf Anfrage von heise online mit.

Das Gutachten sei von seinen eigenen Mitarbeitern erstellt worden, bestätigte das Bundesinstitut außerdem. Es wird sich deshalb möglicher Weise auch der Frage stellen müssen, ob die Verarbeitung so vieler Antragstellerdaten einschließlich der dadurch entstehenden Kosten aus Steuergeldern, von denen bereits die Verfasser bezahlt wurden, überhaupt noch verhältnismäßig ist. (tig)