Allein stehend

Projekt PEGASUS: Maßstäbe für autonomes Fahren

PEGASUS ist ein vom Bundeswirtschaftsministerium gefördertes Gemeinschaftsprojekt von Autoindustrie und Wissenschaft. Es soll Fragen zum hochautomatisierten Fahren beantworten und könnte als Basis für eine internationale Standardisierung dienen – denn die fehlt weiterhin komplett

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Von
  • Christoph M. Schwarzer
Inhaltsverzeichnis

Einschalten zum Abschalten: Ein Knopfdruck, und das Auto übernimmt die Verantwortung. Der Fahrer kann sich anderen Aufgaben widmen, darf lesen oder essen – zumindest auf der Autobahn bei Nutzung der „Chauffeur-Funktion“. Allerdings muss er prinzipiell bereit sein, das Steuer wieder selbst in die Hand zu nehmen, wenn das System überfordert ist. Falls das nicht der Fall ist, bremst das Fahrzeug vorsichtig ab, lenkt automatisch auf den Standstreifen und stellt so den sogenannten risikominimalen Zustand her. Das ist die Kurzbeschreibung des hochautomatisierten Fahrens. Level 3 sagen die Fachleute.

Es könnte längst Realität sein, aber es fehlen internationale Standards und Gesetze. Um diesen Schwebezustand zu überwinden, wurde des Projekt PEGASUS ins Leben gerufen: Es soll Szenarien definieren, Methoden entwerfen und Simulationen festlegen, mit denen hochautomatisierte Fahrfunktionen einheitlich überprüft werden können. heise/Autos war bei der Abschlussveranstaltung auf dem abgesperrten Testgelände von Volkswagen in Ehra-Lessien vor Ort.

Hier, im einsamen niedersächsischen Hinterland, sind normalerweise nur Volkswagen zu sehen. Jetzt fahren auch Testwagen der Marken Audi, BMW und Mercedes auf der Freifläche. Die weiteren Projektpartner von PEGASUS sind neben der Autoindustrie zum Beispiel das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), der TÜV Süd, die Forschungsgesellschaft Kraftfahrtwesen (fka) mbH aus Aachen oder die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt). PEGASUS wird mit 16,3 Millionen Euro vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) gefördert.

Basis für eine spätere UNECE-Regel

Was es dann zu sehen gibt, ist nur auf den ersten Blick banal: Ein serienmäßiger Mercedes GLE folgt einem Kia Soul auf einer nachgestellten rechten Autobahnspur. Der Kia weicht einem extrem langsamen Auto aus – vielleicht hat es einen Reifenplatzer –, und der Mercedes muss eine automatische Notbremsung einleiten. Und genau das tut er auch.

Szene 2, dieses Mal mit diversen Audi A7. Auf der rechten Fahrspur ist ein Liegenbleiber. Das VUT (Vehicle Under Test) könnte nach links wechseln, wo aber zwei weitere Pkw unterwegs sind. Reicht der Platz zum Einscheren vor oder zwischen diesen beiden, oder muss gewartet werden, bis beide vorbei sind? In allen Szenarien bewältigt das Audi-VUT die Aufgabe zuverlässig.

Worum es bei PEGASUS geht ist, diese Anforderungen reproduzierbar zu definieren und zu standardisieren, sodass sie als Basis für ein später folgendes internationales Gesetz, zum Beispiel in der UNECE, dienen können. Übrigens guckt auch die Society of Automotive Engineers (SAE) mit größtem Interesse nach Europa, denn auch dort ist man sich einig, dass der vorwiegend pragmatische Ansatz, die Fahrautomatisierung einfach mal auszuprobieren und abzuwarten was passiert, nicht ausreichend ist.

Kein Try- and Error

Wie komplex die Einzelthemen bei PEGASUS sind, zeigt die Tatsache, dass in der Scirocco-Halle auf dem Gelände in Ehra-Lessien nicht weniger als 32 Stände aufgebaut sind, an denen Forscher und Wissenschaftler die Inhalte erklären, mit denen sie sich jahrelang befasst haben. So hat etwa die BASt untersucht, in welchem Zeitraum Menschen in der Lage sind, die Rückübernahme des Autos zu erledigen, wenn die Systemtechnik an Grenzen gerät.

In einem ersten Praxisversuch fanden die Psychologen der BASt heraus, dass das Lenkrad selbst sehr schnell wieder in der Hand des Menschen ist. Um sich aber wirklich im Verkehr zu orientieren, also zu verstehen, welche Situation gerade besteht, dauert es bis zu acht Sekunden – eine wesentliche Erkenntnis.