Servus, Niki

Nachruf Niki Lauda

Niki Lauda war auf und neben der Rennstrecke sowie als Luftfahrtunternehmer eine der schillerndsten Prominenten und Macher. Er veband analytischen Geist mit einer unbedingten Geradlinigkeit. Nun ist er im Alter von 70 Jahren verstorben

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Niki Lauda 6 Bilder
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Von
  • Christian Lorenz

Am ersten August 1976 stand ich kurz vor meinem vierten Geburtstag. Ich war mit meinen Eltern und meinem neun Jahre älteren Bruder auf dem Rückweg von unserem alljährlichen Südtirol-Urlaub. Vom Rücksitz unseres colorado-beigen Mercedes 230-Vergaser (W123) aus, hörte ich dass auf dem Heim-Grand-Prix am Nürburgring etwas Schreckliches passiert sei. Insbesondere mein 13-jähriger Bruder, damals ganz großer Formel-1-Fan, war tief erschüttert. Dies ist meine erste Erinnerung an den Namen Niki Lauda. Ich weiß auch heute noch die Straßenkreuzung in München, auf der wir kurz vor dem Ende unserer Urlaubsrückreise an einer Linksabbiegerampel warten mussten. Meine Mutter las laut eine Boulevardschlagzeile von einem Zeitungskasten an der Ecke: „Niki Lauda bekommt neues Ohr“.

Übermenschliches Comeback

Obwohl der Österreicher Niki Lauda mit seinen damals 27 Jahren schon einen beeindruckenden Werdegang hinter sich hatte und große Persönlichkeit bewiesen hatte, erst der schreckliche Feuerunfall am Nürburgring machte ihn zum Mythos und zur Legende. Wie er dem fast sicheren Tod entkam, gezeichnet fürs Leben und mit schwer angegriffenen Organen und in der Folge mit übermenschlicher Anstrengung, Disziplin, ja Besessenheit ein Comeback hinlegte, das ihn nur 42 Tage später im Ferrari-Heimrennen in Monza wieder auf den vierten Platz bringt.

Er hatte nur zwei Grand-Prix-Rennen verpasst und der unmenschliche Kampf gegen die Schmerzen und seine schweren Verletzungen ist in der mittleren Phase des Rennens erschreckend deutlich zu sehen. Niki Lauda ist offensichtlich benommen, kann weder Spur noch Geschwindigkeit halten, es sieht so aus als müsse er aufgeben. Doch auch hier kämpft er sich wieder zurück.

Mutige Entscheidung

Polarisiert hat Niki Lauda mit einer einsamen Entscheidung am Ende der Schicksals-Saison 1976, als er angesichts des Starkregens beim Final-Grand-Prix in Fuji, Japan und der gefährlichen Streckenverhältnisse aufgab und so James Hunt mit einem Punkt Vorsprung Weltmeister werden konnte. Einige der Ferrari-Mitarbeiter von damals hielten das für egoistisch. Für die meisten Rennfahrerkollegen, und dem möchte ich mich anschließen, zeugt diese Entscheidung von sehr viel Mut, großer Persönlichkeit und menschlicher Größe.

Niki Lauda wurde im darauf folgenden Jahr 1977 ein zweites Mal Weltmeister mit Ferrari. Er ließ jedoch keinen Zweifel daran, dass das nur noch ein Akt der Pflichterfüllung war und er froh war, dem italienischen Prunkrennstall am Saisonende den Rücken kehren zu können. Freilich damit aber auch den Siegchancen, da das Brabham-Alfa-Team von Bernie Ecclestone damals noch nicht um die großen Siege mitfahren konnte.

Rücktritt für die Fliegerei

1978 trat Niki Lauda vom Rennsport zurück, um im darauffolgenden Jahr seine zweite Leidenschaft, die Fliegerei, zum Beruf zu machen und die Fluggesellschaft Lauda Air zu gründen. Er hatte jedoch mit dem großen Widerstand der Austrian Airlines zu kämpfen, die Lauda buchstäblich die Luft abdrückte. Lauda musste wieder Geld verdienen und kehrte 1982 in die Formel 1 zurück.

Im Stallduell mit seinem Teamkollegen Alain Prost konnte Lauda 1984 ein drittes Mal Weltmeister werden. Mit nur einem halben Punkt Vorsprung auf Prost. In beiden folgenden Jahren dominierte sein Alain Prost die Formel 1 und Niki Lauda, der von technischen Schwierigkeiten weit nach hinten geworfen wurde, fühlte sich zusätzlich vom Team zurückgesetzt. Einer wie er konnte und wollte nicht die zweite Geige spielen und trat 1985 endgültig vom aktiven Rennsport zurück.

Comeback mit WM-Titel

Mit neuer finanzieller Kraft und unternehmerischem Biss gründete Lauda die Lauda Air neu und baute sie bis zum Jahr 1990 zur weltweiten Fluglinie aus. Doch am wirtschaftlichen Gipfel kam für Lauda im wahrsten Sinne des Wortes der Absturz, als am 26. Mai 1991 in Thailand eine Boeing 767 von ihm abstürzte und 223 Passagiere in den Tod riss. Das war für ihn, wie er später gestand, der schwärzeste Tag seines Lebens. Er selbst ließ es sich nicht nehmen, an die Absturzstelle zu fliegen und nach der Ursache zu forschen. Erst als zweifelsfrei feststand, dass ein Konstruktionsfehler des Flugzeugs zur Katastrophe geführt hatte, konnte er mit der Fluggesellschaft weitermachen. Später verkaufte er die Lauda Air an die Austrian Airlines (AUA) und gründete mit NIKI eine neue Fluggesellschaft, die er bis 2017 betrieb.

Der analytische Verstand und die Führungsqualitäten eines Niki Lauda konnten auch in seiner früheren Spielwiese Formel 1 gut eingesetzt werden. Einem Feld dem Lauda als gefragter Kommentator und Experte nie ganz den Rücken gekehrt hatte. Doch wie für Lauda typisch, gelang ihm nach eher mauen Erfolg als Jaguar-Teamchef (2002) erst auf dem zweiten Schritt als Aufsichtsratschef des Mercedes-Formel 1-Teams ab 2012 der ganz große Erfolg. Er führte zusammen mit seinem Landsmann Toto Wolff das Mercedes-Team zu einem der erfolgreichsten Teams in der Geschichte der Formel 1.

Sein schier unglaubliches Tagespensum zu dem er noch Jahre lang schichtmäßige Einsätze als Pilot seiner eigenen Linie zufügte, „aus Spaß“, wie er sagte, absolvierte Lauda mit eiserner Disziplin und einer großen Leidenschaft. Obwohl ihn die Folgen seines Unfalls seit 43 Jahren begleiteten und zwei Nierentransplantationen und zuletzt Ende letzten Jahres eine Lungentransplantation notwendig machten. Nach dem letzten Eingriff kam Niki Lauda, der im Februar 70 Jahre alt wurde, nicht mehr auf die Höhe. Am 20. Mai 2019 beendete Niki Lauda seinen letzten Kampf. Er war einer der ganz Großen nicht nur im Motorsport und wird eine Legende bleiben. (chlo)