Arbeitszeit: Sechs-Stunden-Arbeitswoche für die Umwelt?

Gemäß "Wer viel macht, macht viel Mist" schlägt ein Thinktank vor Arbeitszeit radikal zu begrenzen. In China streitet man derweil um die 72-Stunden-Arbeitswoche

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 570 Kommentare lesen
Büro, Arbeitsplätze

(Bild: Heise)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Torsten Kleinz
Inhaltsverzeichnis

Um die Klimaerwärmung aufzuhalten, dürften Deutsche nur noch sechs Stunden pro Woche arbeiten. Dies ist das Ergebnis eines Papiers des britischen Think-Tanks Autonomy, das in der vergangenen Woche veröffentlicht wurde.

Um die notwendige Arbeitszeitverkürzung zu berechnen, hat der Autor des Papiers sich unter anderem auf Daten der OECD und der UNO gestützt. Um die weltweite Klimaerwärmung bis 2100 auf zwei Grad zu beschränken, dürften laut einer Studie aus dem Jahr 2018 pro Jahr und Kopf nur noch 1610 Kilogramm Kohlendioxid erzeugt werden.

heise jobs – der IT-Stellenmarkt

Zu Arbeitsplätzen und Stellenangeboten in der IT-Branche siehe auch den Stellenmarkt auf heise online:

Hochgerechnet auf den Ausstoß und Produktivität der heutigen Volkswirtschaften ergibt sich somit ein radikaler Arbeitszeiteinschnitt. Deutsche könnten bei gegebener Produktivität grade einmal noch sechs Stunden pro Woche arbeiten, in Großbritannien wären es neun Stunden. Aufgrund der bereits heute deutlich klimafreundlicheren Wirtschaftsweise kämen Schweden immerhin noch auf eine 12-Stunden-Arbeitswoche.

Das nur zwölfseitige Papier des Think Tanks ist als Denkanstoß zu verstehen. So gehen die Berechnungen davon aus, dass es im Prinzip egal ist, ob die Wirtschaftsleistung um ein oder neunzig Prozent zurückgefahren würde – die grundlegenden Beziehungen zwischen Arbeit und Ressourcenverbrauch seien die gleichen. Dass dies nicht realistisch ist, kann man sich einfach vor Augen führen, indem man sich den resultierenden Kollaps des heutigen Verkehrssystems vorstellt. Wenn Arbeitnehmer gar nicht zum Arbeitsplatz gelangen, können sie dort auch keine Ressourcen verbrauchen, sind aber weiterhin auf den Konsum von Waren und Dienstleistungen angewiesen.

"Um eine grüne, nachhaltige Gesellschaft zu werden, müssen wir auf eine ganze Reihe von Strategien setzten – eine kürzere Arbeitswoche ist nur eine davon", begründet Autonomy-Chef Will Stronge den Vorstoß. Über die Veröffentlichung des Papiers sollte die Debatte in Gang gebracht werden.

Der Vorstoß ist auch eine Antwort auf die Auseinandersetzungen um die Arbeitszeiten in China. So hat sich gerade in der aufstrebenden Technik-Branche die sogenannte 996-Arbeitswoche etabliert. Das Kürzel steht für Arbeiten von morgens um 9 Uhr bis abends um 21 Uhr - an sechs Tagen in der Woche.

Dass eine dauerhafte Arbeitsbelastung von 72 Stunden pro Woche kein Garant für Produktivität ist, sondern eher zu gesundheitlichen Schäden führt, versuchte ein Programmierer mit der Einrichtung des Github-Repositories 996.ICU auszudrücken. Der Protest führte zu ungeahntem Erfolg: Das Repository wurde innerhalb kurzer Zeit zu einem der beliebtesten Github-Projekte, hier sammeln Aktivisten nun Artikel über die Arbeitszeit, Informationen über Arbeitgeber und Möglichkeiten des Protests.

Bei den Vorzeigeunternehmern Chinas stößt der Protest jedoch auf Unverständnis. So betonte der Chef von Alibaba, Jack Ma, dass die extensiven Arbeitszeiten für eine Identifikation der Beschäftigten mit dem Betrieb stehen. "Wer bei Alibaba anfängt, sollte bereit sein, zwölf Stunden am Tag zu arbeiten", erklärte der Milliardär. (jk)