Der falsche Glanz

US-Schrottautos auf dem deutschen Gebrauchtwagenmarkt

Autos mit Totalschaden, in Osteuropa notdürftig zusammengeflickt, werden in Deutschland als normale Gebrauchtwagen verkauft - mit fatalen Folgen. Der Betrug hat in den vergangenen Jahren zugenommen, wobei es Deutschland den Gaunern besonders einfach macht

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Von
  • Haiko Prengel
Inhaltsverzeichnis

Sein Wunschauto brachte Michael Binser* bei der Probefahrt ans Limit. „Mit dem BMW war ich auch auf der Autobahn“, berichtet der 48-Jährige. Dass er sich und seine Ehefrau damit in Lebensgefahr brachte, erfuhr Binser erst im Nachhinein. Hohes Tempo ist für einen BMW 228i (Test) mit seinem 245 PS starken Vierzylinder eigentlich kein Problem. Doch das im Sommer 2015 zugelassene Cabriolet hatte ein Vorleben: als Unfallwagen mit Totalschaden aus den USA.

Nach einem schweren Crash war der BMW dort aus dem Verkehr gezogen worden. Ein paar Monate später stand das Auto äußerlich runderneuert bei einem deutschen Gebrauchtwagenhändler in NRW – als vermeintliches Schnäppchen mit frischem HU-Siegel. Betrüger hatten das Wrack bei einer Auktion in den USA günstig ersteigert und dann nach Litauen gebracht. Dort wurde der BMW wieder zusammengebastelt, um schließlich auf dem deutschen Gebrauchtwagenmarkt zu landen.

Kein Einzelfall

Was nach einem skurrilen Einzelfall klingt, ist nur ein Beispiel für eine sich ausweitende, kriminelle Betrugsmasche. Nach Erkenntnissen des Bundeskriminalamts (BKA) werden jedes Jahr mehrere Tausend Fahrzeuge aus den USA nach Deutschland importiert und hier neu zugelassen. Wie viele davon als reparierte Unfallautos den Umweg über Osteuropa nehmen, kann nicht genau beziffert werden. Es würden aber „sehr viele Fahrzeuge“ auf dem deutschen Markt angeboten, die eine Historie als Unfallfahrzeug in den Vereinigten Staaten besitzen, erklärt BKA-Sprecherin Britta Schmitz.

Versteigerungen von Unfallautos sind in den USA üblich. Die als sogenannte Salvage Title (US-Äquivalent für Stilllegung) deklarierten Wracks werden zu einem günstigen Preis angeboten und können dann als Ersatzteilspender genutzt werden. Seit einigen Jahren jedoch werden viele dieser Fahrzeuge nicht geschlachtet, sondern in Drittländern in Ost-Europa wieder zusammengebastelt und als junge Gebrauchte für wenig Geld weiterverkauft.

Quelle: Litauen

Laut BKA ist Litauen das bedeutendste Land, in dem US-Unfallfahrzeuge für den europäischen Markt wiederaufbereitet werden. Insbesondere Modelle von BMW, Audi und Mercedes würden in diesem Zusammenhang häufig festgestellt – hier ist die Gewinnmarge für die dubiosen Händler besonders groß. „Jedoch wurden in letzter Zeit auch US-Unfallfahrzeuge von Toyota und Lexus beobachtet, welche in Deutschland zur Zulassung gelangen“, ergänzt BKA-Sprecherin Schmitz.

Das Tückische ist, dass die ehemaligen Wracks oft nicht mehr als Unfallfahrzeuge zu erkennen sind. Die „Kfz-Wiederaufbereiter“ geben sich offensichtlich viel Mühe bei ihren Restaurierungen. Als sich Michael Binser das BMW 228i Cabriolet bei einem Gebrauchtwagenhändler ansah, konnte er keinerlei Schäden am Wagen erkennen. „Der sah innen und außen picobello aus“, erinnert sich der 48-Jährige. „Auch das Fahrverhalten war spitze.“ Dazu die Vollausstattung inklusive M-Paket: „Der Wagen war genau das, was ich mir vorgestellt hatte.“ Binser kaufte den BMW also, denn mit seinen rund 25.000 Euro war das Auto dazu noch erstaunlich günstig.

Zu günstig

„Genau in diese Falle laufen Jahr für Jahr tausende Verbraucher – insbesondere in Deutschland“, sagt Frank Brüggink, Geschäftsführer von Carfax Europe. In den USA ist der Dienstleister ein etablierter Anbieter. „Show me the Carfax“ („Zeigen Sie mir den Carfax-Report“) ist dort beim Gebrauchtwagenkauf ein Standardsatz. Das Portal speichert Fahrzeughistorien wie die Laufleistung und dokumentiert jeden größeren Unfallschaden in einer Datenbank. Carfax arbeitet mit Polizei, Werkstätten, Versicherern und anderen Partnern zusammen. Seit 1981 sollen so über 14 Milliarden Datensätze zu US-Fahrzeugen gesammelt worden sein.

*Name von der Redaktion geändert