Millionen für CO2-Luftschlösser

Gerne wird argumentiert, wie sinnvoll Emissionszertifikate gegen den Klimawandel wirken. Manchmal geht das aber gehörig daneben, zeigen die USA.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 2 Kommentare lesen
Millionen für CO2-Luftschlösser

(Bild: Photo by Filip Zrnzević on Unsplash)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • James Temple

2013 führte Kalifornien ein Emissionshandelssystem ein. Es begrenzt die Gesamtmenge an Treibhausgasen, die einzelne Industriesektoren ausstoßen dürfen. Unternehmen können Zertifikate kaufen oder verkaufen. Da die Ausstoß-Obergrenze mit der Zeit immer weiter sinkt und damit der Preis pro ausgestoßener Tonne CO2 steigt, sollte ein Anreiz entstehen, Emissionen zu vermeiden und neue Technologien zu entwickeln.

Nun zeigt sich, dass Hunderte Millionen Dollar wohl zu Unrecht ausgeschüttet wurden. CO2 -Emittenten können Zertifikate von CO2 -Ausgleichsprojekten kaufen, die eine Treibhausgas-Reduktion versprechen. So ging viel Geld an Landbesitzer für Aufforstungsprojekte. Bei dem "US Forest Projects"-Programm etwa dürfen Holzproduzenten, Indianerstämme und andere private Landbesitzer Zertifikate verkaufen, wenn sie selbst Bäume pflanzen oder andere Maßnahmen zur Reduktion von Treibhausgasen ergreifen. Sie können zum Beispiel Pläne zum Abholzen stoppen oder Wälder so bewirtschaften, dass sie mehr Kohlenstoff speichern. Über das "US Forest Projects"-Protokoll des kalifornischen Air Resources Board (ARB) wurden mehr als 80 Prozent aller Zertifikate ausgegeben.

Doch viele Projekte werden ihre Einsparungsziele womöglich nie erfüllen. Kalifornien hat Zertifikate für Projekte erteilt, deren Prognosen um bis zu 80 Millionen Tonnen CO2 zu hoch liegen könnten, schreibt Barbara Haya vom Center for Environmental Public Policy der University of California in Berkeley in einer Studie. Das wäre ein Drittel der gesamten Einsparungen, die das Programm in den nächsten zehn Jahren erreichen sollte.

Ein Problem ist etwa, wenn ein Holzunternehmen zunächst das Abholzen in einem Gebiet reduziert, aber die Marktnachfrage an anderer Stelle zu verstärktem Abholzen führt. Diese Verschiebemechanismen, die keine echte Emissionsreduktion bewirken, machen laut den Behörden 20 Prozent aus und seien eingerechnet. Haya liegen allerdings Daten vor, die auf etwa 80 Prozent solcher Ausweichmanöver hindeuten. Zudem erhalten Landbesitzer Ausgleichsgutschriften, die ihnen ein Überschreiten der staatlichen Emissionsgrenzwerte erlauben, wenn sie versprechen, 100 Jahre Kohlenstoffdioxid zu sammeln.

Allerdings sind viele der versprochenen Einsparmaßnahmen nicht realistisch. Zum einen lagern alternde Wälder immer weniger Kohlenstoff ein, sind selbst von Klimaschäden betroffen und setzen das eingelagerte Kohlendioxid bei Waldbränden wieder frei. Zum anderen lassen sich Landbesitzer offenbar auch dann für Bestandsschutz bezahlen, wenn sie gar nicht planen, ihre Bäume abzuholzen. Insgesamt wurden mehr als 80 Prozent der ARB-Zertifikate für Waldprojekte vergeben, die keine "echten Emissionsminderungen" erreichen werden, sagt Barbara Haya.

Ihre Erkenntnisse widersprechen damit einer Studie der Universität Stanford von 2017. Sie bescheinigte dem Programm zu wirken. Denn 64 Prozent der Projekte, die Zertifikate für "verbesserte Waldbewirtschaftung" beanspruchten, holzten beim Programmstart oder zuvor aktiv ab – konnten also glaubhaft machen, dass sie die Rate reduzieren würden. Allerdings gehörte ein Viertel dieser Projekte gemeinnützigen Organisationen, die "ohnehin nicht daran interessiert sein dürften, ihren Wald wirtschaftlich zu nutzen", so Haya. Der Staat habe "Regeln aufgestellt, die zu falscher Zertifizierung einladen", bei der "die Waldbesitzer einfach mitspielen".

Rajinder Sahota, der stellvertretende Leiter des ARB-Vorstands, kündigte für dieses Jahr eine öffentliche Überprüfung des Forstprotokolls an. Die ARB werde im Lichte von Hayas Kritik neuere Studien, etwa über das Ausmaß der Verschiebepraktiken, prüfen. Zudem will die Behörde auch Forscher, den US Forestry Service und andere Experten konsultieren.

(bsc)