Die Neuerfindung der weißen Weste

Ist das cool oder nicht? Der Umwelt-Hipster von Morgen trägt Kleidung, die man nicht mehr waschen muss.

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Wer die Welt retten will, muss bekanntlich seinen Lebensstil überdenken. Keine Interkontinentalflüge, kein Auto, so wenig wie möglich Fleisch, keine Plastiktüten oder besser noch gleich gar keine Verpackungen mehr – um nur ein paar der wichtigsten Punkte zu nennen.

Jetzt kommt ein neuer Trend dazu: Das auf innovative Startups spezialisierte Magazin "Fast Company" berichtet, dass immer mehr junge, innovative Modelabel Kleidung auf den Markt bringen, die kaum noch gewaschen werden muss. Unbound Merino beispielsweise wirbt damit, dass man seine T-Shirts 30 Tage tragen kann, ohne sie waschen zu müssen – und ohne dass man stinkt wie ein Iltis.

Anders als antibakterielle Socken und Funktionsunterwäsche mit umweltschädlichem Nanosilber, die Anfang der 2000er in Mode waren, enthält die neue Dauerkleidung angeblich keine schädlichen Zusätze. Die Hersteller setzen vielmehr darauf, dass die Merino-Wolle Schweiß direkt vom Körper ableitet, und sich daher kein unangenehm riechender bakterieller Film entwickeln kann. Einige Hersteller setzen auf pure Merino-Wolle, andere kombinieren die Naturfaser mit Nylon oder gar einer Faser aus Seetang.

Vermarktet werden die innovativen Wäschestücke allerdings – zumindest noch – als Ausrüstung für den trendigen Traveler, der mit so wenig Gepäck wie möglich reisen, aber nicht abgerissen aussehen will. Der Öko-Effekt durch eingesparte Waschgänge wird zwar auch beworben, ist aber nicht das zentrale Thema.

Wogegen auch die nackten Zahlen sprechen dürften. Am ehesten schlägt die Waschmaschine noch beim Wasserverbrauch zu: Laut dem Online-Portal "Energiesparen im Haushalt" verbraucht eine 30 Jahre alte Waschmaschine pro Waschgang 180 Liter, eine neue immerhin noch 49 Liter.

Laut Verbraucherzentrale liegt der durchschnittliche pro Kopf-Verbrauch an Wasser in Deutschland allerdings bereits etwa bei 120 Litern – das meiste davon rauscht die Toilettenspülung runter. Fachleute warnen zudem seit Jahren davor, dass Abwasserleitung in Deutschland bereits jetzt zu oft trocken fallen – und dabei gerne mal verstopfen. Auch energetisch ist beim Wäscheboykott nicht so rasend viel zu holen: Der Jahresverbrauch typischer Waschmaschinen liegt in der Größenordnung von 150 kWh, was einer CO2-Emission von etwa 70 Kilogramm entspricht. Ja richtig, 70 Kilogramm, nicht 70 Tonnen.

Dafür eignet sich das Dauer-Shirt ganz hervorragend als Instrument der sozialen Distinktion, denn ganz billig ist so ein Teil nicht. Da sind schnell mal 60, 70 oder 80 Dollar weg. Aber hey, was tun wir nicht alles für die Rettung der Welt?

Nach der ökologisch korrekten Mahlzeit, dem fair gehandelten organischen Kaffee und dem richtigen Verkehrsmittel (elektrisches Lastenrad) erkennt ein Öko-Hipster den anderen also schon bald auch an den richtigen Klamotten. Nur die Loser und Ignoranten tragen noch Baumwolle, die mit chemischen Farbstoffen aufgehübscht wurde. Dann kann ja fast nichts mehr schief gehen mit dieser Weltrettung.

(wst)