Mogelpackung Facebook Libra?

Mit einer neuen Kryptowährung will Facebook nach eigener Darstellung Menschen ohne klassische Bankverbindung helfen. Skeptiker aber kritisieren das technische Konzept dahinter – und bezweifeln die uneigennützige Motivation.

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Geld, Münzen, Währung, Kryptowährung, Bitcoin

Facebook macht jetzt auch in Coins.

(Bild: Steve Buissinne, gemeinfrei (Creative Commons CC0))

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Sascha Mattke
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Mit seiner Ankündigung, eine als Libra bezeichnete offene Kryptowährung herauszubringen, hat Facebook an vielen Fronten für Aufsehen gesorgt. Nutzer fragen sich, wann und wie sie das neue E-Geld einsetzen können, Zentralbanken und Aufsichtsbehörden melden Bedenken an – und Blockchain-Beobachter kritisieren, dass es sich bei dem Projekt um eine Mogelpackung handelt.

Der Paukenschlag war offenbar gut vorbereitet. Parallel zur offiziellen Bekanntgabe veröffentlichte Facebook ein Whitepaper über Libra und viele Seiten technische Erläuterungen dazu – in neun verschiedenen Sprachen einschließlich Deutsch. Es gehe "um eine neue dezentrale Blockchain, eine Kryptowährung mit hoher Preisstabilität sowie eine Plattform für Smart Contracts", heißt es darin. Blockchain-Systeme würden Chancen vor allem für unterprivilegierte Bevölkerungsgruppen bieten, in ihrer bisherigen Form von der breiten Masse aber nicht angenommen. Libra werde deshalb "eine einfache, globale Währung und eine finanzielle Infrastruktur für Milliarden von Menschen" bereitstellen.

Das sind große Worte, wie man sie aus Whitepapers zu neuen Kryptowährungen durchaus gewohnt ist. Doch zwischen dem Original Bitcoin oder der Alternative Ethereum und Libra gibt es einige Unterschiede. Laut Facebook sollen damit die Schwächen der bisherigen Systeme umgangen werden. Laut Kritikern aber sind sie so grundlegend, dass man bei Libra nicht mehr von einer echten Kryptowährung sprechen kann. Gleichzeitig sehen sie als Motivation dahinter nicht etwa den Wunsch, Menschen ohne klassische Bankverbindung zu helfen, sondern reines Gewinnstreben.

Mit als Erster meldete sich nach der Veröffentlichung der Libra-Informationen FT Alphaville zu Wort, ein Blog der Financial Times, der die Krypto-Szene seit langem kritisch begleitet. "Facebook Libra: Blockchain, aber ohne Blöcke und Kette", lautete eine der Überschriften in einer Serie von Beiträgen zum Thema.

Bei näherer Betrachtung werde schnell klar, dass Libra in Wirklichkeit gar keine Kryptowährung ist, schreibt FT Alphaville. Schon innerhalb der Facebook-Dokumentation selbst gebe es auffällige Widersprüche. So ist im Haupt-Whitepaper davon die Rede, die Libra Blockchain sei anders als bisherige Blockchains keine Sammlung von Transaktionsblöcken, sondern "eine einheitliche Datenstruktur". An anderer Stelle aber heißt es mit Blick auf Libra, "jeder Block in der Blockchain besteht aus einer Reihe von Transaktionen".

Offenbar hätten zu viele Autoren an der Dokumentation mitgewirkt und es nicht geschafft, sich auf eine einheitliche Darstellung zu einigen, vermutet der Blog dazu. Was als Blockchain bezeichnet werden kann und was nicht, sei letztlich zwar nicht einheitlich definiert. Das Facebook-Konzept widerspreche aber mit Sicherheit einem wichtigen Aspekt der üblichen Definition von Kryptowährungen, nämlich dass keine zentrale Instanz dahintersteht.

Für FT Alphaville kann bei Libra von echter Dezentralisierung keine Rede sein, denn zumindest anfangs werde die Währung nur von ihren Gründungsmitgliedern kontrolliert. Wie Facebook bekanntgab, können dem Steuerungsgremium nur Unternehmen beitreten, die zudem mindestens einen Marktwert von einer Milliarde Dollar haben und zehn Millionen Dollar in Libra investieren müssen. Bislang soll es 28 solcher Partner geben, eine klassische Bank befindet sich nicht darunter.

Über die Berichterstattung des Blogs war Facebook offenbar nicht glücklich: Wie er weiter berichtet, wurde er von einem PR-Vertreter des Unternehmens kontaktiert und aufgefordert, Änderungen an dem "weder Blocks noch eine Kette"-Artikel vorzunehmen. Dieser Aufforderung sei man aber nicht nachgekommen, denn man habe vollkommen korrekt aus Facebook-Dokumenten zitiert, erklärte die Redaktion.

Ohnehin blieb sie mit ihren Zweifeln an der Echtheit der Blockchain-Behauptungen von Facebook nicht lange allein. Simon Lelieveldt, ein Berater für elektronisches Geld und Regulierung aus den Niederlanden, veröffentlichte zunächst eine Reihe von Twitter-Nachrichten und später einen längeren Blog-Beitrag dazu. Für ihn sei Libra eher eine winzige Beteiligung an einem Geldmarktfonds als eine Kryptowährung, schreibt er unter anderem.

Auch Lelieveldt verweist darauf, dass der Umgang von Facebook mit Begriffen aus der Blockchain-Welt deutlich von deren üblichem Verständnis abweicht. So definiere das Unternehmen eine Blockchain als verteilte Datenbank auf vernetzten Computern, von Blöcken in einer Kette sei nicht die Rede – was der Berater mit "sehr witzig" kommentiert.

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Allerdings: Mit der Feststellung, dass es bisherigen Blockchain-Währungen an der Massenkompatibilität fehlt, hat Facebook nicht unrecht. Mit der Wucht seiner rund zwei Milliarden Nutzer im Rücken und mit Veränderungen, die für leichtere Nutzbarkeit und mehr Effizienz sorgen, könnte der Internet-Konzern der Technologie also durchaus zum Durchbruch verhelfen, was auch die Aufregung über die Pläne unter Zentralbankern erklärt.

Für Lelieveldt und andere Beobachter aber ist der unsaubere Umgang mit Begrifflichkeiten ein neuer Beleg dafür, dass Facebook nicht zu trauen ist. Genüsslich führen die Kritiker noch ein weiteres Detail an, das in diese Richtung weist: Laut Facebook soll die weitere Entwicklung von Libra von einer unabhängigen "Association" der Mitglieder mit Sitz in Genf gesteuert werden.

Doch eine solche Organisation gibt es dort bislang offenbar gar nicht – nur eine Anfang Mai eingetragene normale Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Anteile zu 100 Prozent Facebook gehören.

(sma)