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Nur Mut

Ingo Gach hat sich auf den letzten Motorradmessen geärgert, wie wenig Mut die Hersteller zeigen. Es gibt so gut wie keine wirklich neuen Ideen, die einen Trend setzen könnten, findet er

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Zweirad 18 Bilder
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  • iga
Inhaltsverzeichnis

Motorradhersteller sollten wieder mehr Mut zu radikalen Lösungen zeigen. Design, das Emotionen auslöst und technische Lösungen abseits des Mainstreams wagen. Wir wünschen uns gewagte Entwicklungen, die das Potenzial zu Meilensteinen haben können. Modelle, bei denen die Designer sich ungebremst austoben dürfen und den Ingenieuren keine Ketten angelegt werden. Wo die Controller mit ihren Rotstiften ausgesperrt werden und die Vorstände Courage zeigen, indem sie Motorräder abnicken, die sie sonst als zu gewagt ablehnen würden.

Alles, nur nicht langweilig

Das Schlimmste, was Hersteller tun können, ist, sich auf ihren Lorbeeren auszuruhen. Selbst Modelle, die sich jahrelang gut verkauften, überaltern irgendwann. Meist versuchen die Entwickler, das Nachfolgemodell dem erfolgreichen Vorgänger stark ähneln zu lassen, übersehen dabei aber allzu oft, dass der Trend längst verebbt ist. Wenn eine Marke sich neuen Ideen beharrlich verweigert, kann das fatale Folgen haben, wie Harley-Davidson gerade zu spüren bekommt. Die US-Marke steckt in einer tiefen Krise, die Verkaufszahlen gehen seit Jahren drastisch zurück.

Dabei kann ein neues Design viel bewirken. Ein Motorrad kann, ja soll sogar polarisieren. Wenn es Fans gibt, die ein Modell lieben, wird es immer auch Menschen geben, die es ablehnen. Nur dann weiß der Designer, dass er etwas richtig gemacht hat. Das Attribut „langweilig“ ist ein Todesurteil für ein Motorrad. Aber dazu bedarf es Mut bei den Marken und den vermisst man leider viel zu häufig.

Einst Trendsetter, heute ideenlos

Die Motorradsparte von Suzuki schwächelt bedenklich, weil die Ideen und die angesagten Trends fehlen oder nur halbherzig umgesetzt werden. Dabei blühte die Marke einst und bescherte der Welt echte Meilensteine mit völlig neuem Design, wie etwa 1985 die GSX-R 750. Noch nie war ein Sportmotorrad so radikal entwickelt worden: Sie besaß einen Rahmen aus Aluminium, eine Vollverkleidung mit Doppelscheinwerfern, Höckersitzbank, gelochte Doppelscheibenbremsen vorne und wog unter 200 Kilogramm. Ein 100 PS starker Reihenvierzylinder trieb sie an – damals unfassbar aus nur 750 Kubikzentimeter Hubraum. Die GSX-R 750 schien direkt von der Rundstrecke in die Verkaufsräume gefahren zu sein und die Sportfahrer rissen sie den Händlern aus den Händen. Die Suzuki GSX-R 750 setzte den Trend, alle anderen Marken zogen bald mit eigenen Sportmodellen nach.

Wo bleibt der Turbolader

Suzuki produziert heute immer noch gute Motorräder, aber sie laufen den Trends hinterher. Dabei war der potenzielle nächste große Erfolg bereits präsentiert: 2013 stellte Suzuki auf der Tokyo Motor Show mit der Recursion eine bildhübsche Studie mit einer Halbschalenverkleidung vor. Das Besondere an der Recursion: Sie hatte zwar nur einen 650-cm3-Zweizylinder, aber dafür einen Turbolader!

Aus dem Automobilbau verfügte Suzuki über Erfahrung mit aufgeladenen Motoren und die Fachwelt nahm an, dass Suzuki damit einen völlig neuen Trend im Motorradbau anstoßen würde. Statt die Leistung über einen schweren Vierzylinder mit großem Hubraum zu holen, würde ein leichter und sparsamer Turbomotor mit relativ wenig Hubraum ausreichen, um viel Fahrspaß zu bieten.

Es fehlt an Mut

Doch dann passierte – nichts. Der Prototyp verschwand wieder in der Versenkung. Anfang 2018 verdichtete sich das Gerücht, Suzuki würde eine neue Katana auflegen. Jenes legendäre Bike, das 1980 vom deutschen Design-Büro Target Design entworfen wurde und dann tatsächlich bei Suzuki auch in Serie ging. Die Katana war damals ihrer Zeit voraus und verkaufte sich eher schleppend. Erst Jahre nach ihrer Einstellung begriffen viele das ungemein fortschrittliches Design.