Selbstfahrende Taxis: Wohin mit dem Trinkgeld?

Über 50.000 Fahrten mit automatisierten Autos hat Lyft bereits durchgeführt. Die Fahrgäste beschweren sich vor allem darüber, kein Trinkgeld geben zu können.

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Lyft-Aptiv-BMW vor einem Hotel in Las Vegas

Lyft-Aptiv-BMW vor einem Hotel in Las Vegas

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Inhaltsverzeichnis

Seit Anfang 2018 bietet Lyft in Zusammenarbeit mit Aptiv "autonome" Taxifahrten in Las Vegas an. Bis Ende Mai wurden 50.000 solche Roboterfahrten absolviert. Das hat Jody Kelman, bei Lyft für selbstfahrende Beförderung verantwortlich, am Dienstag auf dem Automated Vehicles Symposium in Orlando berichtet. Die Fahrgastzufriedenheit sei hoch, 96 Prozent würden wieder einsteigen. Der häufigste Beschwerdegrund: Es gibt keine Möglichkeit, über die App Trinkgeld zu geben.

Denn ohne Menschen gibt es auf absehbare Zeit keine Selbstfahrerei. So nimmt bei Lyft stets ein Sicherheitschauffeur den Fahrersitz ein. Diese Person soll eingreifen, wenn der Computer nicht mehr weiter weiß, oder wenn außerhalb des als Strip bekannten öffentlichen Straßenzuges gefahren werden muss, etwa um Fahrgäste beim Hoteleingang abzuholen oder dort aussteigen zu lassen. Am Strip selbst (offiziell Las Vegas Boulevard) ist das Ein- und Aussteigen untersagt.

Der Aufpasser beantwortet auch Fragen der Fahrgäste zur Selbstfahrtechnik, hilft Blinden beim Ein- und Aussteigen, und empfiehlt vielleicht ein Restaurant. Diese Unterhaltungen kämen besonders gut an. "Zu Beginn beobachten die Leute die Hände des Chauffeurs wie ein Habicht", berichtete Kelman. Im Lauf der Fahrt entspannten sich die Fahrgäste allerdings und würden sich bald wie bei anderen Lyft-Fahrten auch verhalten.

Was die Lyft-Managerin nicht ausführt: Die Anwesenheit eines Fahrzeugbedieners hält die Fahrgäste wohl auch zu Sauberkeit und Wohlverhalten an. Trotzdem wird er zwischendurch ein bisschen sauber machen müssen. Dafür hat Lyft noch keinen Roboter.

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"Die Verbraucher sind bereit" für selbstfahrende Taxis, ist Kelman überzeugt. Die durchschnittliche Bewertung der automatisierten Fahrten liege bei 4,97 von 5 möglichen Punkten. 92 Prozent der Fahrgäste hätten angegeben, sich sehr oder extrem sicher gefühlt zu haben. Einige Kunden hätten die Fahrt sogar als "life changing" (lebensverändernd) beschrieben, einer sei schon 14 mal mitgefahren.

Allerdings verblasse der Neuigkeitswert schnell: "Den Leuten ist wichtig, rechtzeitig anzukommen, nicht so sehr das Novum des Selbstfahrens", so Kelman. Und sie wollen auch nicht lange auf den Lyft-Wagen warten. Ungefähr drei Minuten seien ideal. Länger zu warten missfalle, kürzere Anfahrten könnten Stress auslösen, "weil sie keine Zeit haben, sich die Schuhe anzuziehen." Kelman hatte auch noch eine geradezu verblüffende Erkenntnis parat: Lyft-User gehen ungern zu Fuß.

Jody Kelman auf dem Automated Vehicles Symposium 2019 in Orlando

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Die Zuteilung der selbstfahrenden Autos erfolgt nicht zufällig: Start und Ziel müssen in einer Liste eingetragen sein, die nur einige Dutzend Örtlichkeiten am Las Vegas Boulevard enthält. Zudem muss ein selbstfahrender Wagen in der Nähe bereit sein. Man kann davon ausgehen, dass es noch weitere Kriterien gibt, die Lyft nicht verrät. Das in der Wüste Nevadas seltene Schlechtwetter ist ein wahrscheinliches Ausschlusskriterium.

Schließlich muss der Kunde die autonome Fahrt ausdrücklich bestätigen. Tatsächlich lehne jeder Fünfte, dem ein Robotertaxi angedient wird, es ab, sagte Kelman. Dann wird ihm ein klassisches Fahrzeug mit menschlichem Fahrer geschickt.

Für Lyft ist das kein Anlass, die Selbst-Fahrten zu reduzieren. Im Gegenteil: Nach 5.000 Beförderungsfällen im ersten Halbjahr 2018 wurde das Angebot deutlich erweitert, so dass in etwa einem Jahr 45.000 weitere Roboterfahrten hinzugekommen sind.

So sieht es aus, wenn man mit Lyft ein autonomes Taxi bestellt (6 Bilder)

Bestellt man in Las Vegas ein Lyft, kann es passieren, dass man ein autonomes Taxi zugewiesen bekommt. Das muss man dann aber explizit bestätigen.

Dabei hält sich der Computer sklavisch an den vorgegebenen Straßenzug. Stau umfahren ist nicht. Kein Wunder, kann der Computer doch nur jene Kreuzungen bewältigen, die mit speziellen Kurzwellensendern ausgerüstet sind. Der Lyft-Aptiv-BMW mag also auf dem Las Vegas Boulevard selbstfahrend sein, wirkliche Autonomie ist noch Zukunftsmusik.

Das Automated Vehicles Symposium ist die älteste und wohl wichtigste wissenschaftliche Tagung in Nordamerika zu autonomen Fahrzeugen und Verkehrssystemen. Die jährliche Veranstaltung erfreut sich regen Zulaufs, so dass für die Abwicklung inzwischen über 200 Freiwillige erforderlich sind. Veranstalter sind der Branchenverband AUVSI und das Transportation Research Board (TRB), eine Abteilung des Nationalen Forschungsrates der USA.

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(ds)