Verkehrsrowdys machen autonome Autos fit

Auch schlechte Fahrer können gute Lehrmeister sein. Etwa dafür, wie man es nicht macht und wodurch Situationen gefährlich werden.

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Tesla-Unfall

Auch Teslas haben mal einen Unfall.

(Bild: dpa, Laguna Beach Police Department/AP)

Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler

Das plötzliche Ausscheren von Lastwagen, zu dicht auffahrende Fahrzeuge, die im Notfall nicht rechtzeitig bremsen können, und rücksichtlose Lückenspringer auf Autobahnen: Shimon Whiteson von der Oxford University hat Verkehrsvideos solcher Situationen gesammelt, um damit autonome Autos zu trainieren. Sie sollen lernen, irrationales und gefährliches menschliches Fahrverhalten zu erkennen und Gefahren zu vermeiden.

"Dafür müssen wir das gesamte Verhaltensspektrum der Verkehrsteilnehmer abbilden und später modellieren", sagt Whiteson. "Wir wollen die selteneren Extrembeispiele von übervorsichtigem und gefährlichem Verhalten und die Reaktionen der anderen Verkehrsteilnehmer darauf erfassen", so der Informatiker. Denn auch wenn Autofahrer schwere Fehler machen, führt das nur selten zu Unfällen, da die anderen Verkehrsteilnehmer richtig reagieren und so die Fehler anderer kompensieren.

Im Vergleich zu unserem angeborenen Bild- und Situationserkennungssystem braucht das von computergesteuerten Autos weitaus mehr Übung. Weil es aber zu viele relevante Verkehrssituationen gibt und es stark vom Zufall abhängt, ob gefährliche Situationen während des Trainings eintreten, ist es zu zeitaufwendig und teuer, autonome Autos auf der Straße zu trainieren.

Und gefährlich ist es obendrein, wie zuletzt der tödliche Unfall eines Uber-Testfahrzeugs in Arizona gezeigt hat. Das Auto stufte eine Fußgängerin als unbedeutendes Hindernis ein und überfuhr sie. An Bord war zwar eine Sicherheitsfahrerin, sie aber hatte nicht aufgepasst und konnte die Tragödie nicht verhindern.

Whiteson zufolge liefern auch vorprogrammierte Simulationen keine ausreichende Basis. Um aus seltenen Szenarien Reaktionsregeln für Autos abzuleiten, müsste jede Testsituation aufwendig programmiert werden. Das ist sowohl sehr aufwendig als auch potenziell lückenhaft. An Verkehrsvideos als Lehrmaterial herrscht dagegen kein Mangel. Whitesons Team wertet zunächst Videomaterial aus, das ihm kooperierende Städte stellen.

Ein Bilderkennungssystem erfasst die Verkehrsteilnehmer, verfolgt ihre Routen und überträgt sie in ein 3D-Modell. Auf dieser Grundlage entstehen interaktive agentenbasierte Simulationen. Die Agenten sind etwa Autos, Busse und Fußgänger. Sie können innerhalb vorgegebener Regeln eigenständig entscheiden und handeln. So lernt das System besser und schneller, richtiges Verhalten zu imitieren und auf falsches Verhalten richtig zu reagieren.

Diese Modelle bietet Whiteson über sein Start-up Latent Logic vor allem Entwicklern von autonomen Autos an, die damit ihre Steuersoftware testen und trainieren. Auch Versicherungen seien daran interessiert, weil sie für die Festlegung der Raten beurteilen wollen, wie sicher die selbstfahrenden Autos sind. Darüber hinaus berät Whitesons Unternehmen auch die zuständigen Regierungsbehörden, die über die Zulassungskriterien entscheiden.

(bsc)