Online-Beschimpfungen gegen Künast: Kanzlei zeigt Berliner Richter an

Berliner Richter hatten geurteilt, dass Renate Künast bestimmte Online-Beleidigungen hinnehmen müsse. Nun zeigt eine Kanzlei die Richter wegen Rechtsbeugung an.

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Hasskommentar

(Bild: dpa, Lukas Schulze)

Lesezeit: 3 Min.
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Nachdem das Landgericht Berlin Beschimpfungen auf Facebook gegen die Politikerin Renate Künast zugelassen hatte, hat nun eine Anwaltskanzlei die drei zuständigen Richter wegen Rechtsbeugung angezeigt. Die Entscheidung des Gerichts sei unvertretbar und habe sie empört, erklärten die Anwälte der Kanzlei Bernhard Korn und Partner. Die Äußerungen gegen Künast seien keine Auseinandersetzungen in der Sache, sondern müssten klar als "Formalbeleidigungen“ bewertet werden.

Hintergrund ist eine Entscheidung des Berliner Landgerichts vom 9. September: Künast hatte einen gegen sie gerichteten Facebook-Beitrag sowie 21 Kommentare dazu an das Gericht gereicht, weil sie die Herausgabe der Identitäten dahinter erwirken wollte, um die Verantwortlichen zivilrechtlich zu belangen. Das Gericht entschied aber, dass die darin gefallenen Beschimpfungen wie "Pädophilen-Trulla" und "Schlampe" in diesem Fall keine Beleidigung seien, sondern "sachbezogene Kritik".

Der Facebook-Beitrag und die Kommentare bezogen sich auf einen Artikel in der Zeitung Die Welt aus dem Jahr 2015, der eine Anhörung in Berliner Abgeordnetenhaus von 1986 schildert und nahelegt, Künast habe sich für die Entkriminalisierung von Geschlechtsverkehr mit Kindern ausgesprochen. Künast sah ihre Äußerungen aus dem Kontext gerissen und bestreitet, eine Entkriminalisierung zu befürworten oder es jemals getan zu haben.

Für das Gericht waren jedoch Kommentare wie "Knatter sie doch mal einer so richtig durch, bis sie wieder normal wird" zwar "geschmacklose Kritik", die aber "mit dem Stilmittel Polemik sachliche Kritik übt". Auch "Drecks Fotze" sei "haarscharf" an der Grenze des Hinnehmbaren – da das Thema Geschlechtsverkehr mit Kindern erhebliches Empörungspotenzial habe, müsse sich Künast überzogene Gegenrede aber gefallen lassen, so das Gericht. Der Entscheid sorgte bei vielen Beobachtern für Fassungslosigkeit und harte Kritik.

"Formalbeleidigungen werden nicht zu zulässigen Meinungsäußerungen, indem man diese mit der Kritik an einem Verhalten oder einer Äußerung verbindet“, führten die Anwälte in einer Mitteilung aus. Sonst müsste es etwa auch straffrei sein, einem Polizisten, dessen Verhalten man falsch findet, zu sagen: „Du Stück Scheiße hast hier nichts in meiner Wohnung zu suchen.“

Die Anwälte vertreten Künast nicht, sondern handeln eigenmächtig. Die Staatsanwaltschaft bestätigte gegenüber dem rbb, dass eine Anzeige eingegangen sei, derzeit werde der Anfangsverdacht geprüft. Künast selber hatte bereits angekündigt, gegen den Beschluss bei der nächsthöheren Instanz vorzugehen. "Der Beschluss des Landgerichts sendet ein katastrophales Zeichen, insbesondere an alle Frauen im Netz, welchen Umgang Frauen sich dort gefallen lassen sollen“, sagte sie der dpa.

Renate Künast gehört auch zu den Initiatorinnen eines heute im Netz veröffentlichten Aufrufs, der sich gegen digitale Gewalt und Hassrede im Netz wendet. Vor allem Frauen seien derzeit Zielscheibe derartiger Hetze und sexualisierter Verbalausfälle, heißt es auf frauengegendigitalegewalt.de "Auch im ganz normalen Alltag wird im Digitalen Druck auf Frauen ausgeübt; da werden sie beschimpft, gibt es Stalking, bis hin zu zugesandten Nacktbildern", sagte Künast der dpa. "Wir brauchen eine gesellschaftliche Diskussion darüber, was da passiert." Die Idee für die Aktion sei ihr und der Netzaktivistin Anne Wizorek im Gespräch gekommen, erklärte Künast.

Gefordert werden Aufklärungskampagnen, Beratungs- und Präventionsangebote sowie schärfere Strafverfolgung, etwa mittels Schwerpunkstaatsanwaltschaften zu Online-Hass. Weitere Unterzeichnerinnen des Aufrufs sind unter anderem Anke Domscheit-Berg von der Linkspartei und die Grünen-Politikerin Claudia Roth. (axk)