Klima-Demos: Mehrere Hundert Festnahmen, Extinction Rebellion protestiert weiter

Die Klima-Demonstrationen verlaufen friedlich. Politiker befürchten jedoch eine Radikalisierung – besonders der Aktivisten rund um Extinction Rebellion.

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Klima-Demos: Mehrere Hundert Festnahmen, Extinction Rebellion protestiert weiter

Auftakt der Klimaproteste in London.

(Bild: Extinction Rebellion)

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Von
  • dpa

Die am Montag gestarteten Klima-Demonstrationen mit Straßenblockaden haben auch am Dienstag zu zahlreichen Festnahmen in London und Amsterdam geführt. In der britischen Hauptstadt wurden laut Scotland Yard binnen zwei Tagen bis Dienstagnachmittag mehr als 500 Demonstranten der Bewegung Extinction Rebellion (XR) festgesetzt – in Berlin wurde ein Protest friedlich aufgelöst.

Wie viele Demonstranten sich in der britischen Hauptstadt aufhalten, darüber gab es keine Angaben der Polizei. Britische Medien gingen von etwa 30.000 Teilnehmern in London aus. Viele Demonstranten hatten in der regnerischen Nacht in Zelten in der Nähe des Parlaments geschlafen. Sie tanzten, trommelten und machten immer wieder mit Sprechchören auf sich aufmerksam.

Premierminister Boris Johnson appellierte an die Demonstranten, mit den Blockaden aufzuhören. Sie sollten mit ihren "nach Hanf riechenden Biwaks" die Hauptstadt verlassen, sagte der Regierungschef. Sicherheitsleute hätten ihn vor "unkooperativen Krustentieren" gewarnt, die die Straßen vermüllten.

Mehrere Hundert Aktivisten harrten am Dienstagabend noch am Großen Stern rund um die Siegessäule in Berlin aus. Seit dem frühen Abend würden dort keine Räumungen mehr stattfinden, erklärte die Polizei. Stadtweit seien rund 600 Polizisten im Einsatz, davon 200 am Großen Stern, sagte ein Polizeisprecher. Die Beamten hatten am Vormittag den ebenfalls seit Montag besetzten Potsdamer Platz geräumt, dabei blieb es friedlich.

Am Mittwoch haben die Anhänger von Extinction Rebellion um 3.00 Uhr in der Früh mit der Blockade der Marschallbrücke in der Nähe des Kanzleramts begonnen. Mehrere Hundert Menschen seien auf der Brücke, teilte die Berliner Polizei am Mittwochmorgen mit. "Es ist so wie in den letzten Tagen auch", sagte eine Beamtin. "Es sind friedliche Personen, die dort sitzen." Zu Verkehrsbehinderungen werde es aber sicherlich kommen. Mehrere Hundert Aktivisten übernachteten zudem erneut am Großen Stern im Stadtteil Tiergarten.

Aufgrund der Blockade an der Brücke hatte die Polizei die Zufahrten ab der Wilhelm-und Margarete-Steffin-Straße in beide Richtungen gesperrt. Auch der Schiffbauerdamm sei auf unbestimmte Zeit gesperrt worden. Zu Einschränkungen soll es auf den Buslinien 100, 147 und 245 kommen. Für den Mittwoch waren außerdem Aktionen am Kurfürstendamm geplant.

"Sobald die Politik auf unsere Forderungen reagiert, würden wir die Brücke freigeben", erklärte XR-Aktivist Marco Gergele. Ansonsten bleibe man so lange vor Ort, wie man schaffe.

Vor Ort war die Stimmung nach Angaben eines dpa-Fotografen in der Früh entspannt. Zahlreiche Demonstranten hätten sich in Wärmefolien gehüllt, um sich gegen die kühlen Temperaturen in der Nacht zu schützen. Auf dem Boden lagen Transparente mit Aufschriften wie "Climate Justice" oder "Tell the truth". Auch wurde eine Art Floß aufgebaut, auf dessen Segel stand: "Wir sitzen alle im selben Boot - und die Crew spielt um unseren Tod."

Extinction Rebellion hat für die ganze Woche Aktionen in der Hauptstadt angekündigt. Die Umweltschutzbewegung will in Berlin und anderen Großstädten in aller Welt auf eine drohende Klimakatastrophe aufmerksam machen.

Extinction Rebellion (auf Deutsch etwa: Rebellion gegen das Aussterben) kommt ursprünglich aus Großbritannien. Nach eigenen Angaben gibt es die Gruppe seit November vorigen Jahres auch in Deutschland. Sie fordert unter anderem, dass die nationalen Regierungen sofort den Klimanotstand ausrufen.

CSU-Chef Markus Söder äußerte die Sorge, "dass es zu radikaleren Wegen in der Klimabewegung kommen kann". Dem Straubinger Tagblatt sagte er: "Wenn der Protest jetzt in radikalere Formen ausufert, wird das weite Teile der Bevölkerung abschrecken." FDP-Parteichef Christian Lindner hatte vor Beginn der Aktionen vor antidemokratischen und teils totalitären Zügen der Bewegung gewarnt: "Über die extremen Forderungen zum Klimaschutz hinaus stellen Aktivisten der Gruppierung offen die Demokratie in Frage", sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

Anders als etwa Greta Thunbergs Bewegung "Fridays for Future" sind die Aktivisten von Extinction Rebellion nach eigenen Angaben bereit, Gesetze zu brechen, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Der Mitgründer von Extinction Rebellion, Roger Hallam, hatte in einem Interview mit dem Spiegel im September gesagt: "Wenn eine Gesellschaft so unmoralisch handelt, wird Demokratie irrelevant. Dann kann es nur noch direkte Aktionen geben, um das zu stoppen."

In Amsterdam war am Montag eine wichtige Durchgangsstraße stundenlang blockiert worden. Die Polizei hatte die Aktion dann abgebrochen – etwa 90 Personen waren vorläufig festgenommen worden. Am Dienstag blockierten Demonstranten den Eingang der Großbank ABN Amro.

Mehrere Hundert Aktivisten besetzten in Paris laut dem Nachrichtensender BFMTV einen zentralen Platz in der Nähe der Seine und eine Brücke. Von besonderen Vorfällen in der Nacht war keine Rede. Die Umweltschutzbewegung kündigte für die ganze Woche Aktionen in Großstädten in aller Welt an. (olb)