Forscher denken CO2-Steuer neu

Ein überarbeitetes Modell schlägt vor, dass der Preis für das Klimagas hoch beginnen und im Laufe der Zeit sinken sollte. Das hätte einige Vorteile.

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Forscher denken CO2-Steuer neu

(Bild: Johanna Montoya on Unsplash)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • James Temple
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Ökonomen sind sich weitgehend einig, dass einer der effektivsten Wege zur Bekämpfung des Klimawandels die Besteuerung des CO2-Ausstoßes ist. Es gebe kaum bessere Ansätze als höhere Preise, wenn es darum geht, Menschen (und Firmen) zu einem umweltfreundlicheren Verhalten zu bewegen, sagen sie.

Eine neue ökonomische Analyse stellt jetzt allerdings einige traditionelle Ansichten zum Thema CO2-Steuer auf den Kopf. Sie kommt zu dem Schluss, dass der Preis in den kommenden Jahrzehnten eher sinken als steigen sollte. Er sollte zudem anfangs deutlich höher angesetzt werden, als es viele frühere Studien und Gesetzesvorlagen vorgeschlagen hatten.

So schlägt ein vieldiskutierter Plan, der 2017 von den früheren US-Außenministern James Baker und George Shultz ausgearbeitet wurde, eine CO2-Steuer vor, die bei 40 US-Dollar pro Tonne anfängt und sich jedes Jahr um 5 Prozent oberhalb der Inflation erhöht – in Übereinstimmung mit den konventionellen Ansichten einiger der einflussreichsten Klima-Ökonomie-Modelle.

Der neue Vorschlag, den Forscher im September in den "Proceedings of the National Academy of Sciences" unterbreitet haben, sieht anders aus. Die Gruppe aus Wissenschaftlern unter anderem von der New York University kommt zu dem Schluss, dass es viel effektiver wäre, mit einem Preis von etwas mehr als 100 Dollar zu starten. Diese Steuer würde im ersten Jahrzehnt höher bleiben, bevor sie in den nachfolgenden Jahrzehnten langsam absinkt.

Vereinfacht gesagt versucht das sogenannte "EZ-Climate"-Modell die Werkzeuge der Finanzwirtschaft in die Klimawirtschaft einfließen zu lassen, was dazu führt, höhere Kosten auf Unsicherheiten zu legen – während die Gefahrenabwehr stärker in den Mittelpunkt rückt.

Folglich nimmt das Modell bestimmte Effekte an, die sich über die Laufzeit der Besteuerung abspielen werden. Je höher der Preis am Anfang ist, desto schneller werden Nationen und Unternehmen sauberere Methoden entwickeln und anwenden, glaubt Gernot Wagner, einer der Autoren der Studue und Juniorprofessor der Fakultät für Umweltwissenschaften an der New York University.

Das bedeutet auch, dass der Preis auf CO2 schneller wieder anfangen kann zu sinken. Die höhere Abgabe soll dazu führen, dass mehr und mehr Teile der Wirtschaft sich auf Systeme und Energiequellen stützen, die nicht länger Emissionen ausstoßen. Zusätzlich wird der Planet mit der Zeit mehr über die konkreten Auswirkungen des Klimawandels lernen – und was es heißt, diese anzugehen.

"Die Unsicherheit löst sich im Laufe der Zeit von selber auf", kommentiert Wagner. Somit müssten wir nicht länger einen höheren Preis für CO2-Verschmutzungsrechte bezahlen. Wagner weiß, wovon er spricht – er entwickelte sein Modell gemeinsam mit Kent Daniel, Ökonom an der Columbia University, und Robert Litterman, ehemaliger Leiter der Quantitative Investment Strategies Gruppe des Bankriesen Goldman Sachs.

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Ein weiterer nennenswerter Befund von Wagners Plan ist, dass die Kosten des Hinauszögerns eines CO2-Preises in schwindelerregender Weise steigen könnten, je länger wir mit einer Umsetzung warten. Wenn wir ein Jahr warten, eine effektive CO2-Steuer einzuführen, erreichen die geschätzten Kosten der zusätzlichen Klimawandel-Auswirkungen geschätzt eine Billion Dollar. Wenn wir fünf Jahre warten, schwellen sie auf 24 Billionen an. Eine 10-Jahres-Verzögerung könnte die Welt bis zu 100 Billionen kosten.

Wagner betont, dass es praktisch unmöglich ist, einen effektivsten Startpreis für eine CO2-Steuer zu kennen. Ein Szenario seines Modells zeigt jedoch, dass er höher als 200 Dollar sein könnte, abhängig von bestimmten Annahmen.

Wie bei vielen Aspekten der Klimapolitik gibt es natürlich eine klare Diskrepanz zwischen der idealen theoretischen Lösung und derjenigen, die tatsächlich ins Gesetz geschrieben werden kann. CO2-Steuern haben sich bisher als schwer durchsetzbar erwiesen – und je höher der Startpreis, desto schwerer wird dies vermutlich.

(bsc)