BND und Verfassungsschutz trommeln für Staatstrojaner und "Systemkopien"

"Befugnisse, Befugnisse und Ressourcen" fordert der oberste Inlandsspion Thomas Haldenwang, um Online-Plattformen besser überwachen zu können.

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BND und Verfassungsschutz trommeln für Staatstrojaner und "Systemkopien"

(Bild: Gorodenkoff / Shutterstock.com)

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Angesichts verstärkter Risiken durch Terrorismus von Rechts, Links und aus dem islamistischen Spektrum sieht der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Thomas Haldenwang, "auch den Bedarf an Befugnissen wie Online-Durchsuchungen oder der Quellen-TKÜ verschärft". Der Jurist warnte am Dienstag in der dritten öffentlichen Anhörung des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) des Bundestags in Berlin: "Täter radikalisieren sich über abgeschirmte Kommunikation."

Messenger-Dienste und Image-Boards schafften nicht nur für die undurchsichtiger werdende rechtsextreme Szene Anlaufpunkte und erleichterten die Emotionalisierung in Echokammern des Internets, führte Haldenwang in der dreistündigen Sitzung aus. Dabei werde "verschlüsselte Kommunikation praktiziert", um geschlossene Weltbilder zu predigen und nach einer "Ideologie Marke Eigenbau" mit Online-Radikalisierung loszuschlagen und zugleich Nachahmer anzustiften.

Als Ziel gab Haldenwang aus, Ereignisse im Internet besser beobachten zu können und dabei auch "gefährliche Einzelpersonen mitzuplotten". Virtuelle Agenten bewegten sich zwar bereits auf den entsprechenden Plattformen und führten etwa Webcrawling durch, um Hinweise zu sammeln. Bestimmte Bereiche blieben aber "inzwischen blind", sodass Instrumente wie der Staatstrojaner-Einsatz für den Zugriff auf Kommunikation und Daten vor einer Ver- oder nach einer Entschlüsselung nötig seien.

Auf Online-Plattformen seien die Staatsschützer "noch notleidend", erneuerte Haldenwang seinen Appell an den Gesetzgeber vom vorigen Jahr. Nötig seien daher "Befugnisse, Befugnisse und Ressourcen". Backdoors und andere Sicherheitslücken seien oft nicht nötig, um den gewünschten Werkzeugkasten dann zu nutzen. Viele IT-Systeme seien aber ohnehin schon löchrig wie Schweizer Käse, sodass es nur um eine weitere Hintertür gehe, die dem Staat dann offen stünde.

"Wir dürfen uns nicht künstlich blind und taub machen", unterstützte der Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), Bruno Kahl, seinen Kollegen. Es gehe darum, bestehende Kompetenzen auf neue Medien zu übertragen. Wenn ein Gefährder verschlüsselt kommuniziere, dürfe auch der Auslandsgeheimdienst derzeit "nicht verdeckt in das Mobiltelefon eindringen". Wie das Bundeskriminalamt (BKA) sollte daher auch der BND eine Rechtsgrundlage für den Einsatz eines Bundestrojaners bekommen.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat bereits einen Referentenentwurf für ein Gesetz "zur Harmonisierung des Verfassungsschutzrechts" erarbeiten lassen. Demnach soll nicht nur das BfV heimlich IT-Systeme ausspähen dürfen, sondern auch der BND Staatstrojaner oder vergleichbare "technische Mittel" gegen "deutsche Staatsangehörige", eine "inländische juristische Person" oder "sich im Bundesgebiet aufhaltende Personen" in Stellung bringen können. Im Ausland macht der Geheimdienst von derlei bereits Gebrauch. Bislang wehrte sich die SPD gegen Seehofers Ansinnen, nach dem Anschlag von Halle ging der Entwurf jetzt aber in die Abstimmung mit den anderen Ressorts und könnte so bald von der Bundesregierung auf den Weg gebracht werden.