Post aus Norwegen: Über den Fjord mit Wasserstoff

In vielen Teilen des Königreichs fehlt es noch an Festverbindungen über die Meeresarme. Nach ersten E-Fähren-Projekten folgen nun Experimente mit Brennstoffzellen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 5 Kommentare lesen
Post aus Norwegen: Über den Fjord mit Wasserstoff

Die Havila Kystruten sollen ab 2021 die norwegische Küste befahren.

(Bild: Havyard / Havila)

Lesezeit: 4 Min.
Inhaltsverzeichnis

Norwegen ist ein bergiges Land – und als ob das nicht schon schwierig genug wäre, Straßenverbindungen zwischen den wichtigsten Orten herzustellen, gibt es auch noch jede Menge kleine und große Fjorde, die es zu überqueren gilt.

Post aus Norwegen

Norwegen ist ein Paradoxon: Die größte Öl- und Gasnation Europas ist gleichzeitig Klimaschoner Nummer Eins bei Stromerzeugung und Autoverkehr. An dieser Stelle berichtet Ben Schwan über Innovationen aus dem Land der Fjorde – und seine Eigenarten.

Da Brücken oder Tunnel nach wie vor enorm teuer – und in der Politik entsprechend umstritten – sind, setzt die Reichsregierung vor allem auf Fähren, die mal nur zehn Minuten, mal über eine Stunde zwischen den Fjord-Ufern, Inseln und Schärengebieten pendeln. Die Gefährte, mit denen je nach Größe über 100 Autos befördert werden können, sind allerdings ziemliche Luftverpester, auch wenn sie zunehmend von Diesel auf Erdgas umgestellt werden.

Zudem gibt es seit gut fünf Jahren diverse Versuche mit Elektrofähren, die künftig auch automatisch übersetzen können sollen. So ist seit 2015 am Sognefjord der E-Katamaran "Ampere" unterwegs. Die Nutzung elektrischer Energie hat den Vorteil, dass sie in Norwegen CO2-neutral erzeugt wird – der Strom stammt nahezu komplett aus Wasserkraft.

Allerdings bringen E-Fähren ein anderes Problem mit sich: Die Stromanbindung muss ausreichend dimensioniert sein. Da die Fähren an teils wenig bewohnten Orten unterwegs sind, fehlt es dann schon mal an einer passenden Hochspannungsinfrastruktur – oder selbige ist bereits bis an der Rand ihrer Kapazität belastet.

Das bringt die Fährgesellschaften in Zugzwang. Sie sind von der Regierung angehalten, in den kommenden Jahren wirklich "grün" zu werden. Deadline ist – sollte sich die konservative Regierung hier nicht noch umentscheiden – das Jahr 2026, dann sollen die Fähren komplett emissionsfrei unterwegs sein. Entsprechend verfolgen die ersten Unternehmen alternative Antriebsformen, um die E-Probleme zu umgehen. Jüngster Kandidat sind folgerichtig Wasserstoff-basierte Brennstoffzellen.

Das bislang wohl ambitionierteste Projekt dieser Art wird gerade im Westen des Landes umgesetzt. Der Schiffstechnikkonzern Havyard, das ein Schwesterunternehmen der Reederei Havila ist, werkelt gerade an neuen Küstenroutenschiffen ("Havila Kystruten"). Diese sollen ab 2021 dem traditionellen Liniendienst der Hurtigruten Konkurrenz machen, ehemaligen Postschiffen, die von Bergen im Westen nach Kirkenes im hohen Norden unterwegs sind.

Havyard will die kreuzfahrtähnlichen Schiffe künftig mit mehreren hintereinander geschalteten Brennstoffzellmodulen ausrüsten, die bis zu 3,2 Megawatt leisten können. Die Technik kommt aus Skandinavien: Das schwedische Start-up Powercell soll sie liefern, dort arbeitet man bereits unter anderem mit Bosch im Automobilbereich zusammen. Aktuell laufen die Zulassungsarbeiten. Nachdem die Schiffe 2021 zunächst mit einer Hybridkombination aus Erdgasantrieb und Akkupacks betrieben werden, soll später dann ein Retrofitting auf Brennstoffzellen erfolgen.

Insgesamt vier Schiffe will Havila Kystruten auf die Reise schicken, das erste schon ab übernächstem Jahr – wann genau mit Wasserstoff, ist derzeit noch unklar. Platz für entsprechende Behältnisse, die vom Industriegasspezialisten Linde stammen, soll an Bord genug sein, ein Nachtanken sei bei den vielen Zwischenstopps möglich, so Powercell.

Der Plan passt zu Norwegens Strategie, den Kreuzfahrtverkehr zum Ökotourismus umzuwidmen. Aktuell hat das Land das Problem, dass die vielen Schiffe mit ihrem Schweröl die Luft in den Fjorden verpesten. Auch das ist einer der Gründe, warum ab 2026 CO2-neutral gefahren werden muss.

Allerdings ist unklar, ob der Zeitplan von Havila Kystruten wirklich eingehalten werden kann. Zwei der vier Schiffe sollten eigentlich von einer spanischen Werft vorgefertigt werden, bevor sie bei Havyard dann mit den neuartigen Antrieben ausgerüstet werden. Die spanische Werft steht allerdings aktuell vor schweren finanziellen Problemen und hat den Auftrag zurückggegeben.

(bsc)