Kontaktfreudig

Klartext: Pro Touchscreen

Lexus war einst Vorreiter bei der Bedienung via Touchscreen, hat sich diesen Vorsprung aber ausreden lassen und kehrt erst jetzt zu den Wurzeln zurück. heise Autos-Herausgeber Detlef Grell hofft, dass die Japaner schnell wieder aufholen

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 56 Kommentare lesen
Klartext 8 Bilder
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Detlef Grell

Erinnert sich wohl noch jemand an die Zeit, bevor Touchscreens selbstverständlich wurden? Ja, genau, das waren all die sinnleeren Jahrhunderte vor dem ersten Apple iPhone. Nun, es wissen vermutlich nur noch Mitglieder von Geheimzirkeln, aber es gab davor tatsächlich bereits funktionierende Touch-Screens. In Autos! Ich schwöre es.

In bester Galliermanier gab es da ein kleines Dorf in Japanien, die bauten sowas in ihre Lexus-Wagen ein. Klingt ja fast schon wie eine alt-römische Erfindung. Wie wurde über sie hergezogen! Oh, diese Fehlkonstruktion, Fettflecke auf dem Bildschirm, bäh, eklig. In Premium-Fahrzeugen mussten es seinerzeit entweder Knöpfe, Knöpfe, Knöpfe sein oder der berühmte Dreh-Drück-Steller wie bei BMW. Letzteres galt als der wahre Fortschritt, das User-Interface schlechthin. Aber ehrlich, es war doch mehr so „hm”.

Den Menü-Mist haben sie erst recht nicht verstanden

Viele der gut situierten Alle-Extras-Besteller aus meinem Bekanntenkreis jedoch waren unglücklich, dass der Knopfsalat im Cockpit verschwunden war. In Wirklichkeit änderte sich aber gar nichts: Statt 50 Knöpfchen, deren Funktion sie nie wirklich verstanden hatten, konnten sie die Schuld nun ganz rechtschaffen auf diesen Menü-Mist schieben, den sie erst recht nicht verstanden.

Selbstverständlich hat sich Lexus seinerzeit mit dem Touchscreen massiv abqualifiziert: Wie, bitte schön, konnten es denn Japaner wagen, den Deutschen, allen voran den deutschen Premium-Hirschen, ein eigenes Premium-Auto entgegen zu stellen?

Das hat Cadillac nicht geschafft, Jaguar immerhin ein bisschen, letztlich sogar ein bisschen besser als VW mit dem Phaeton. Nebenbei: Auf der IAA 2001, als der Diesel noch nicht seine Unschuld verloren hatte, hieß es unisono: Hybrid ist gut für den US-Markt, der Diesel aber ist besser und günstiger.

Die Arroganz des Hochadels

Tja, damals hat sich der automobile Hochadel auch anderweitig jede Menge Arroganz, etwa im Verkauf, geleistet. Was letztlich dazu führte, dass ich von 2002 bis 2007 einen Lexus LS430 fuhr, Toyotas Angriff auf die Mercedes S-Klasse. „Ach du je, eine Reisschüssel. Warum denn das?” Viele meiner Kollegen verdrehten seinerzeit gequält die Augen. Ich war total zufrieden. Für dasselbe Geld hätte ich beim Daimler gerade mal eine gut motorisierte E-Klasse bekommen.

Im LS430 steckte ein extrem leiser V8 mit 280 PS. Der zwei Jahre alte Mercedes S500 eines Bekannten klang dagegen selbst im Leerlauf, als würde er heimlich Zahnräder zerspanen. Mein Tipp, damit mal in der Werkstatt vorstellig zu werden, endete dort mit einem lapidaren „der klingt nun mal so”. Im LS430 hingegen musste ich die Klimaanlage abstellen, wenn ich den Motor im Stand hören wollte. Und der Touchscreen war genial! Kontextsensitive Bedienelemente: Bei Navi hab ich Navi-Touch-Tasten, bei Radio Radio-Funktionen, bei Klima die für Klima usw. Die Fettflecke waren auch nur bei direktem Sonneneinfall zu sehen. Die Flecken auf Klavierlack andernorts fand ich weit schlimmer.

Deutsche als Maß der Dinge

Leider war Lexus nicht selbstbewusst genug und beging einen Riesenfehler. Die Entwickler bei Lexus haben wohl gedacht, die deutschen Premiumhersteller, nach deren eigener Meinung die besten Autohersteller der Welt, sind ebenso wie deutsche Motorjournalisten das Maß aller Dinge. Was Lexus dann als Dreh-Drück-Steller-Ersatz geliefert hat und ich im (gerade noch) aktuellen RX 450h erleben durfte, ist einfach schlecht: Das „Maus” genannte Teil ist eher ein Joystick und so empfindlich (auch in der unempfindlichsten Einstellung), dass man – okay, also ich auf jeden Fall – eigentlich nie auf Anhieb den gewünschten Menüpunkt trifft. Im Stand wohlgemerkt. Beim Fahren sowieso nicht.

Aber es kam ja noch viel schlimmer: 2007, gerade als Lexus das neue System auslieferte, erscheinen plötzlich Apples iPhone gefolgt vom iPad auf dem Markt und krempeln unser aller Verständnis von User-Interfaces um. Plötzlich können von Kleinkind bis Greis alle touchen und wischen und finden das selbstverständlich, intuitiv und toll.

Während Lexus also damals für seine Touchscreens von allen deutschen Autotestern (heise Autos war da glücklicherweise noch nicht geboren ...) auf die Mütze bekam, sind es heute dieselben Tester, von denen zum Beispiel VW regelmäßig Schulterklopfer für sein durchdachtes Touchscreen-System bekommt. Ich hoffe mal, das neue System von Lexus ist wieder etwas cleverer. Im gerade überarbeiteten RX kann jedenfalls wieder getoucht werden. Ich bin darüber sehr froh. (gr)