"YouTubers Union" sucht den Streit mit Google

Mangelnde Transparenz und schlechte Kommunikation sind die Vorwürfe gegen die Videoplattform Youtube. Auch die IG Metall engagiert sich.

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"YouTubers Union" sucht den Streit mit Google

(Bild: MariaX/Shutterstock.com)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Torsten Kleinz
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Mit einem "Shitstorm" will die sogenannte "YouTubers Union" die zu Google gehörende Videoplattform zu Zugeständnissen bringen. Google hingegen will sich nicht unter Druck setzen lassen und bestreitet, dass es ernsthafte Probleme gebe. Die Auseinandersetzung bietet einen Vorgeschmack auf künftige Arbeitskämpfe.

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"Wir starten die erste Massenkampagne gegen YouTube und Google", erklär YouTuber Jörg Sprave in einem aktuellen Video, mit dem er die Kampagne "FairTube" vorantreiben will. Seine Anhänger fordert er auf, Einschreiben an die YouTube-Zentrale nach Kalifornien zu schicken, die dann per Unterschrift bestätigt werden müssten. "Das wird bei YouTube wirklich jeder Mitarbeiter mitbekommen", schwärmt Sprave, der seit über einem Jahr die Auseinandersetzung mit der Plattform sucht.

Ausgangspunkt seiner Unzufriedenheit war die so genannte "Adpokalypse" auf der Plattform. Nachdem Medien im Frühjahr 2017 darüber berichtet hatten, dass Werbung etablierter Marken zur Finanzierung extremistischer Inhalte beitrug, hatten einige von Googles größten Werbekunden ihre Kampagnen von der Plattform zurückgezogen. YouTube reagierte teilweise panisch und hat viele Kanäle von Werbeschaltungen ausgeschlossen. Erst nach und nach wurde ein neuer Prozess zur "Brand Safety" geschaffen, bei dem Kanäle zunächst manuell freigeschaltet werden, um sich für das Werbeprogramm zu qualifizieren.

Für die Ersteller von YouTube-Videos war dieser Schritt ein Schock: Mit dem Werbeboykott der Werbetreibenden blieb zunächst ein Großteil der gewohnten Einnahmen aus. Die neuen Vorgaben von YouTube, wer sich auf welche Weise an den Werbeeinnahmen Googles beteiligen kann, sorgten für weitere Frustration. Sprave gründete daher eine Facebook-Gruppe mit dem Namen "YouTubers Union" und versuchte die Betroffenen zu organisieren.

In diesem Sommer konnte Sprave einen neuen Bündnispartner gewinnen: Die deutsche Industriegewerkschaft IG Metall zeigte Interesse an diesem Arbeitskampf und gründete zusammen mit Sprave die Initiative "FairTube", mit der eine gemeinsame Kampagne organisiert wird. Gleich zu Beginn gingen die neuen Bündnispartner in die Vollen. So drohte Fairtube mit rechtlichen Schritten und stellte einen Countdown auf die eigene Website, um YouTube zu Zugeständnissen zu bewegen. Als sich YouTube zu einem Gespräch mit der Gewerkschaft bereit erklärte, stoppte Fairtube den Countdown. Zu dem Treffen kam es dann aber doch nicht. So wollten IG Metall-Vertreter Sprave zu dem vereinbarten Termin mitbringen – YouTube war dazu jedoch nicht bereit.

"Wir haben gegenüber den Gewerkschaften sehr detailliert beschrieben, wie
YouTube die Creator transparent informiert und unterstützt", erklärt ein YouTube-Sprecher auf Anfrage von heise online. "Wir haben aber auch klar gemacht, dass wir nicht in formale Verhandlungen eintreten werden." So rede man auf den eigenen Support-Kanäle und auf Community Events sehr ausführlich mit den "YouTube Creators". Man sei bereit, den Gewerkschaften die Lage zu erläutern – doch Verhandlungspartner seien sie nicht. In Sprave sieht Google auch keinen Repräsentanten anderer YouTuber, sondern lediglich den Betreiber einer Facebook-Gruppe.

Der Kern-Streitpunkt: Die Gewerkschaft sieht in YouTubern eine Art Arbeitnehmer, die gewerkschaftlichen Schutz brauchen. Für Google sind "YouTube Creators" hingegen selbständige Unternehmer, die mit der Plattform auf Augenhöhe Verträge abschließen.

Für die Gewerkschaft ist die Auseinandersetzung eine Investition in die Zukunft. Denn schon heute sei die Plattform-Ökonomie dabei, die Struktur der Arbeit zu verändern. "Crowd-Plattformen sind an vielen Stellen entlang der Wertschöpfungskette zu finden, auch bei Betrieben, für die die IG Metall zuständig ist", erläutert Gewerkschaftssekretär Robert Fuß, der sich bereits seit mehreren Jahren mit solchen Plattformen beschäftigt. Ein Beispiel seien etwa Automobilunternehmen, die Testfahrer für das autonomes Fahren zu Bedingungen der Gig-Economy engagieren.

Als Sprave auf einer Konferenz mit Gewerkschaftsvertretern ins Gespräch kam, sahen diese einen Modellfall für die neuen Arbeitnehmerrechte. "Wir haben es hier mit einer Plattform zu tun, die übermächtig ist und auf Anfragen nicht angemessen reagiert", erklärt Fuß. Einen Tarifvertrag will man jedoch nicht mit YouTube abschließen – es geht zunächst um die konkrete Verbesserung der Arbeitsbedingungen.

Um jedoch als Gewerkschaft tätig zu werden, benötigen die Arbeitnehmervertreter einen Hebel. Sie argumentieren, dass zumindest einige YouTuber keine freien Unternehmer, sondern in Wahrheit nur Scheinselbständige seien. So werden im deutschen Recht Arbeitnehmer genannt, die nur pro forma als Gewerbetreibende gemeldet sind, um Sozialabgaben zu sparen.

Ein Kriterium für Scheinselbständigkeit ist es etwa, dass die Betroffenen nicht selbst über ihre Arbeitszeiten bestimmen können. Da YouTube jedoch keine direkten Vorgaben zu Arbeitsplatz und Arbeitszeiten macht, argumentiert die Gewerkschaft mit wirtschaftlichen Zwängen: "Wenn man nicht ständig neue Videos publiziert, rutscht man im YouTube-Ranking immer weiter ab und verdient folglich immer weniger Geld", erklärt Fuß im Gespräch mit heise online. Unmittelbar gerichtlich überprüfen lassen will die Gewerkschaft dies aber vorerst nicht.

Mit dem "Shitstorm" testet FairTube aus, welche Schlagkraft die eigene Kampagne hat. Fuß verweist darauf, dass die Facebook-Gruppe seit Beginn der Kampagne von 15000 auf 25000 Mitglieder angewachsen sei. Wie viele aktive YouTuber darunter sind, ist aber unbekannt. Sprave selbst nutzt seinen Kanal mit über zwei Millionen Abonnenten dazu, um FairTube bekannt zu machen.

Doch obwohl die Initiative mittlerweile auf eine lange Liste von Presseberichten verweisen kann, stehen Solidaritätserklärungen prominenter deutscher YouTuber bisher aus. Ein Grundproblem: Die YouTuber selbst sehen sich selbst als Unternehmer, die auch versuchen jenseits der Plattform neue Monetarisierungskanäle zu erschließen. "Ich glaube, wenn es um die Transparenz geht, würden sich alle den Forderungen anschließen – doch als Scheinselbständige sehen sich viele YouTuber nicht", erklärt Thomas Hackner, der als Herr Newstime über aktuelle Entwicklungen innerhalb und außerhalb der YouTube-Community berichtet.

Hackner teilt die Kritik Spraves an der mangelhaften Transparenz, wenn es um die Monetarisierung auf der Plattform geht: "Die Praxis sieht anders aus, als es die Regeln von YouTube beschreiben", sagt Hackner. Zwar habe die Plattform mittlerweile ein Regelwerk und ein Beschwerdeverfahren etabliert. Das funktioniere zwar deutlich besser als vor zwei Jahren, aber es sei immer noch mangelhaft.

So sei es sehr schwer, über negative Entwicklungen zu berichten, ohne gleich finanziell abgestraft zu werden "Es reicht etwa aus, wenn das Wort 'Anschlag' erwähnt wird, damit ein Video als nicht werbefreundlich gekennzeichnet wird", erklärt der YouTuber. Statt konkreter Hinweise bekämen YouTuber nur Textbausteine zu sehen. Die manuelle Bearbeitung von Beschwerden dauere mehrere Tage. "Gerade wenn man sich mit aktuellen Nachrichten beschäftigt, ist das problematisch", erklärt Hackner. "Ich kann ein Video nicht drei Tage zurückhalten und darauf waren, ob YouTube es als werbefreundlich kennzeichnet."

Wie sehr die Nerven blank liegen, zeigte sich am Wochenende als die Neufassung der YouTube-Geschäftsbedingungen für große Verunsicherung unter YouTubern sorgte. Sie befürchteten, dass ein neuer Passus über "wirtschaftlich nicht gangbare" Lösungen ein Vorzeichen für die Löschung unrentabler Kanäle sei. Auf Twitter hat das Unternehmen inzwischen Entwarnung gegeben: Man wolle keine Kanäle löschen, sondern behalte sich nur vor bestimmte Features abzuschalten, wenn diese nicht mehr breit genutzt würden. (axk)