Regierungsprogramm ÖVP und Grüne: Klimaschutz First, Lauschangriff auf Autos und Chats

Das türkis-grüne Regierungsprogramm für Österreich zeigt, dass sich beide Koalitionsparteien etwa bei der Überwachung nicht einig waren.

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Überwachung in Österreich

(Bild: Flagge: Nicolas Raymond, CC BY 2.0)

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In Wien haben am Donnerstag der designierte alt-neue Kanzler, Sebastian Kurz (ÖVP), und sein vorgesehener Vize, Grünen-Chef Werner Kogler, das Regierungsprogramm der beiden Parteien für Österreich bis 2024 präsentiert. Das Übereinkommen sieht vergleichsweise ambitionierte Ziele beim Klimaschutz vor, wo die türkis-grüne Koalition die Klimaneutralität bis 2040 erreichen wollen. Das sind zehn Jahre früher als in Deutschland und in der EU. Auch im Bereich Informationsfreiheit ist den Grünen ein Durchbruch gelungen. Bei der inneren Sicherheit konnten sich dagegen die Konservativen durchsetzen.

An vielen Stellen wirken die auf 326 DIN-A5-Seiten ausgebreiteten Vorhaben noch nicht aus einem Guss. Vor allem das Sicherheitskapitel zeigt, dass die grüne Basis hier einige Kröten schlucken soll. Ihre Verhandlungsführer haben mehrere Initiativen akzeptiert, gegen die sich die Partei bisher klar ausgesprochen hatte.

Dazu gehört etwa die "Sicherungshaft": die neue Regierung will zu verfassungskonformen Kompromiss kommen, wie "gefährliche Personen" präventiv eingesperrt werden können. Eine vergleichbare, heftig umstrittene Befugnis für Ordnungshüter gibt es bereits im Polizeigesetz im benachbarten Bayern. Kogler hatte solche Pläne früher als "verfassungswidriges und menschenrechtsfeindliches Treiben" scharf kritisiert.

ÖVP und Grüne wollen zudem prüfen, ob und wie sie eine verfassungskonforme Vorschrift "zur Überwachung unter anderem für verschlüsselte Nachrichten im Internet" schaffen können. Der österreichische Verfassungsgerichtshof (VfGH) hatte Teile des "Sicherheitspakets" der Vorgängerregierung der Konservativen und der FPÖ erst im Dezember gekippt und den 2018 eingeführten Bundestrojaner für rechtswidrig erklärt. Nun soll die Suche nach einer Lösung zum Entschlüsseln insbesondere von Messenger-Kommunikation via WhatsApp, Signal oder Threema also weitergehen und der Staatstrojaner möglicherweise wieder eingeführt werden. Das VfGH-Urteil werde man dabei berücksichtigen, versichern beide Seiten.

Fest geplant ist ein großer Lauschangriff auf Autos: "Während es die Möglichkeit einer 'akustischen Überwachung' in Wohnungen und Räumlichkeiten gibt, ist das für Personen in Fahrzeugen nicht erlaubt", heißt es in dem Plan für die Legislaturperiode. "Diese Lücke soll geschlossen werden."

Vorgesehen ist zudem eine "Individualisierungspflicht für Netzbetreiber bei CG-NAT-Verwendung", um IP-Adressen "im Rahmen einer Anlassdatenspeicherung (Quick Freeze)" eindeutig zuordnen zu können. Hintergrund ist, dass viele Provider Nutzern intern nur noch private IPv4-Adressen geben, die von außen nicht ersichtlich sind. Ein Router des Betreibers vermittelt dann per Network Address Translation (NAT) zwischen der öffentlichen und den privaten Kennungen. Deshalb reicht eine IP-Adresse alleine nicht mehr aus, um einen bestimmten Anschluss zu identifizieren.

Zugangsanbieter in der Alpenrepublik sollen daher auf Zuruf der Ermittler weitere Datenfelder speichern. Demgegenüber steht der Vorsatz, durchgängig das "Prinzip der anonymen Nutzung von technischen Infrastruktur-Systemen" zu etablieren.